Unser Lateinlehrer am Gymnasium, mit welchem ich ein sehr freundschaftliches Einvernehmen hatte, verstand es stets, uns Jugendlichen die Schulzeit möglichst erträglich zu machen und das Schuljahr, welches zu Beginn immer sehr beladen schien, sinngebend zu strukturieren. So lernten wir, natürlich neben anderem, jede Woche ein Wochenwort und einen Wochensatz. Nach vier Jahren Lateinunterricht hatten wir somit etwa 150 Wochenwörter und ebenso viele Wochensätze beisammen, wobei diese, insbesondere für die mündliche Latein-Matura, eine grosse Lernhilfe waren. Aufgrund des wöchentlich angeeigneten Wissens bezüglich dieser Wörter und Sätze entwickelte sich, fast automatisch, ein Sprachgefühl fürs mündliche Latein. Wir können uns selbstverständlich auch in anderen Bereichen durch «Wochenaufgaben» behelfen. Indem wir uns, ob im Beruf, in der Familie, im privaten Engagement oder auch im Glaubensleben, bewusst strukturieren, schaffen wir Ordnung und Übersicht, was, wie ich finde, auch die Lust erhöht, Dinge anzupacken und zu erledigen. So existiert die Tradition des im Kirchenjahr variierenden Wochenpsalms oder der Herrnhuter Tageslosungen. Oder wir können uns auch selbst, ganz im Sinne unseres eigenen, mündigen Glaubens, «Bibelwochenwörter» oder «Bibelwochensätze» zusammenstellen, die wir dann, ganz nach unserem Gusto, verinnerlichen. Dies könnten Möglichkeiten sein, die auf den ersten Blick etwas «sperrige» Bibel ganz ungezwungen und strukturiert zu entdecken. Strukturiert tritt uns, zu jeder Jahreszeit, auch die Natur entgegen. Viele biologische, chemische und physikalische Prozesse und Erscheinungen sind einfach wunderhaft und können mit unserem menschlichen Verstand nur begrenzt erfasst werden. So verrichtet unser menschliches Hirn so vieles, was (noch) nicht erforscht ist, wobei wir uns, aufgrund der molekularen und biologischen Strukturiertheit, täglich auf unser Hirn verlassen können. Strukturen sind dann hilfreich, wenn sie regelhaftes Handeln fördern, Einzelfälle aber zulassen. Seien wir also strukturiert, nicht im Sinne von repetitiv tätigen Maschinen, sondern im Sinne der beispielhaften Wochenwörter und Wochensätze aus meinem Lateinunterricht im Gymnasium.
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag und einen freudvollen Spätsommer.
Tobias Günter, reformierter Pfarrer
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