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Wie wird Wut gut?

Erstellt von Michaele Madu, katholische Pfarrei | |   Unsere Zeitung

Es gibt viele nachvollziehbare Gründe, wütend zu werden. Wenn wir gemobbt, betrogen, belogen oder gedemütigt werden, kann jeder verstehen, dass uns grosse Wut erfüllt. Nach längerem Lodern kühlt die Wut oft ab, aber sie könnte zu kalter Verbitterung werden. Doch muss es wirklich so kommen? Haben wir es nicht auch weitgehend selbst in der Hand, wie wir mit unserer Wut umgehen?

Christen haben Jesus vor Augen, der die Wut besiegte und sogar seinen Feinden am Kreuz vergab. Doch auch andere Religionen wie der Buddhismus geben gute Beispiele. Aus dem Leben Buddhas wurde eine Legende überliefert. Es heisst dort, dass er eine Woche lang täglich zum Markt ging. Am Stadttor sass ein verbitterter alter Mann, der ihn jeden Morgen auf das Übelste beschimpfte, ohne ihn zu kennen. Dieser Mensch schien seine Wut immer an anderen Menschen auszulassen. Jeden Morgen hörte sich der Buddha die Verleumdungen des Mannes an und ging lächelnd weiter. Und abends kam er lächelnd vom Markt zurück. Das verwunderte den alten Mann. Nach einer Woche fragte er: «Warum lächelst du immer noch? Du bist anscheinend nicht taub. Warum schaffe ich es nicht, dir deine Laune zu verderben?» Und der Buddha antworte ihm: «Wenn ich dir morgens ein schön verpacktes Geschenk bringe, würdest du es annehmen?» «Von dir sicher nicht», rief der Mann. «Und wenn ich es dir immer wieder anbiete, und du weist es zurück, wem gehört es dann?» «Na, immer noch dir», sagte der Alte. «So ist es auch mit deiner Wut», entgegnete der Buddha. «Wenn ich mich entscheide, sie nicht anzunehmen, bleibt sie dann nicht deine?» Eine schöne Geschichte. Und doch passt sie eher zu den Gelegenheiten, bei denen sich andere an uns abreagieren, ohne uns zu kennen. Aber wenn jemand uns beleidigt, gerade weil er uns kennt, ist es gefühlsmässig schwieriger. Doch auch dann kann ich mir sagen, dass ich die Wut beim Gegenüber lasse, falls sie unberechtigt ist. Verändert das schon die Welt? Wenn eine Person damit beginnt und andere mitzieht, dann schon. Auch grosse Konflikte werden öfter durch friedvolle einzelne Entscheider verhindert, verbessert oder sogar beendet. So wird Wut wieder gut.

Michaele Madu, katholische Pfarrei

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