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Treibt uns Gott um?

Erstellt von Pfarrer Tobias Günter | |   Unsere Zeitung

Ich gebe zu, diese Titelfrage ist ziemlich gewagt. Die Frage nach Gott steht im säkularisierten Westeuropa nicht zuoberst auf unserer Traktandenliste. Uns treiben viel eher Fragen nach dem täglichen Leben, nach dem Wohl unserer Kinder, nach unserer nahen Zukunft oder nach unseren Freizeitplänen um.

Auf dem Sorgenbarometer vieler Schweizerinnen und Schweizer stehen die steigenden Miet- und Energiekosten, die jährlich höher werdenden Krankenkassenprämien, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und deren Finanzierung und nicht zuletzt die Zukunft unseres Planeten Erde. Gerade für Menschen im Niedriglohnsegment nehmen Lebens- und Alltagsfragen viel Raum ein, weil, so ungern wir das auch hören, Geld die Welt regiert, so dass die Frage nach Gott für ihre Lebensrealitäten zweitrangig erscheinen mag.

Vielleicht fragen auch Sie sich, ganz unabhängig von Ihrem sozialen Status, wie uns Gott im modernen Westeuropa und in der Welt des 21. Jahrhunderts überhaupt noch spürbar beistehen könne. Ich nehme Ihnen solche Fragen und/oder Gedankenspiele nicht übel. Viele von uns freuen sich wohl auf eine, zwei oder gar drei Wochen verdiente Sommerferien und auf Zeit mit den Menschen, die uns am nächsten sind. Da scheint die Frage nach Gott berechtigterweise weit weg zu sein. Und trotzdem, Jede/r von uns kennt Fragen nach dem Sinn im Leben und ich wage zu behaupten, dass wir alle auch schon schwierige Zeiten durchgemacht und/oder vielleicht schon mal einen schweren Schicksalsschlag erlitten haben.

Gerade in schwierigen Zeiten, in welchen uns nichts mehr zu gelingen scheint, können das Gebet oder die Bibellektüre wohltuende, rettende Anker sein oder werden. Natürlich finden wir in der Bibel keine Handlungsanweisungen oder Patentrezepte für unsere Lebens- und Alltagssituationen, doch uns begegnen Menschen, die nach Antworten suchen. Gerade die alttestamentlichen Psalmen sind voll von Klagen und Wünschen aber auch voll von Jubel, Grossmut und Dankbarkeit darüber, dass «Eine/r mit uns geht, der/die das Leben kennt und uns versteht.» «Jede/r ist ihres/seines eigenen Glückes Schmied», mögen Sie nun denken und einwenden. Dieser Satz ist meines Erachtens nur bedingt richtig und ist das Produkt eines menschlichen Machbarkeitsstrebens.

Sicherlich ist gegen ein aktives Streben nach Glück, ob in der Familie, im Bekanntenkreis, am Arbeitsplatz oder bezüglich der eigenen Gesundheit, nichts einzuwenden. Doch, das biblische Beispiel vom Hiob, dem leidenden Gerechten, zeigt, dass irdisches Glück ohne unser Zutun und völlig grundlos schnell verschwinden kann. Und, Glück ist, obwohl wir es alle gut zu kennen scheinen, an unsere persönlichen Lebensvorstellungen gebunden. So gibt es Menschen, die, von aussen betrachtet, glücklich zu sein scheinen, weil sie alles erreicht haben, sich aber dennoch nicht glücklich schätzen können und sich ständig beklagen. Und auch das Gegenteil kommt vor. Nämlich Menschen, die, aus welchen Gründen auch immer, oft Schwieriges durchmachen müssen, haben ihr Glück gefunden und schaffen es dem Leben immer wieder viel Positives abzugewinnen. Wie die Frage nach persönlichem Glück sehr individuell und vielfältig ist, verhält es sich mit der Frage nach Gott meines Erachtens einfacher. Gott wirkt, pfingstlich gesprochen, durch die grenzenlose Kraft des H eilligen Geistes auf der Welt und ist uns sowohl im Guten als auch im Schlechten nahe, wenn wir das zulassen.

Da Jesus Christus als Sohn Gottes zugleich Mensch war, kennt er unser menschliches Leben mit all seinen Facetten aus eigener Erfahrung. Fragen wir also mitten im Leben die Psalmanbeterinnen und Psalmanbeter, in ihrer ewigen, göttlichen Kraft des Heiligen Geistes, die sich dort entfalten kann, wo menschliches Leben geschieht und bewusst darauf wartet. Ich wünsche Ihnen einen freudvollen und erholsamen Sonntag.

Tobias Günter, freformierter Pfarrer

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