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Im Wald ist der Klimawandel zu spüren

Erstellt von Majken Grimm | |   Unsere Zeitung

Durch den Klimawandel werden heisse und trockene Sommer immer häufiger. Förster müssen die Bewirtschaftung des Waldes anpassen. Unterwegs mit Förster Fabio Gass im Volketswiler Wald.

Die hohen Bäume spenden Schatten in der warmen Morgensonne. Fabio Gass ist in seinem Dienstwagen unterwegs, dessen Beschriftung verrät, dass er in diesem Wald den Überblick behält: Als Gemeindeförster ­betreut er den Wald zwischen Volketswil, Wangen-Brüttisellen und Schwerzenbach. Im sogenannten Fuchsacher hält er an. Hochgeschossene Buchen, Weisstannen und Föhren, die bereits seit über hundert Jahren hier stehen, lassen eine abrupte, offene Fläche frei. Es ist eine Schadensfläche, in der nun sehr viel jüngere Bäume wachsen.

Viel Verlust durch den Borkenkäfer

Früher standen hier Fichten, die so hoch waren wie die Bäume rundherum. «Wir haben viel Fläche an den Borkenkäfer verloren», sagt Gass. «Jedes Jahr waren die Käfer ein paar hundert Meter weiter. Sie haben sich mit Stürmen abgewechselt, die Bäume umgeworfen haben.» Die befallenen Fichten wurden gefällt und zeitnah aus dem Wald geschafft beziehungsweise verkauft. Noch immer stehen jedoch windschiefe Bäume am Rand der Lichtung. Durch die offene Fläche sind sie dem Wind nun besonders ausgesetzt. Für die wirtschaftlich bedeutende Fichte ist der Borkenkäfer ein grosses Problem. Dieser profitiert ungemein vom Klimawandel: Heisse und trockene Sommer schwächen Fichten, was der Käfer ausnutzt. Zudem entwickeln sich mehr Generationen an Käfern innerhalb eines Jahres, wodurch die Anzahl der Individuen exponentiell ansteigt. So kann der Borkenkäfer ganze Fichtenbestände weiträumig vernichten. «Für Förster und Waldbesitzer ist es emotional sehr zäh, wenn sie viele Bäume verlieren», sagt Gass. Mit dem Problem ist Gass nicht alleine: Laut der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL machen mehr als ein Drittel der gesamten Holznutzung im Schweizer Mittelland Zwangsnutzungen aus, weil Bäume durch Borkenkäfer, Stürme, Pilzbefall oder Trockenheit zu Schaden gekommen sind. Weil durch den Klimawandel sommerliche Hitze- und Trockenperioden immer häufiger und intensiver werden, rechnen Forstwissenschafter damit, dass sich das Problem im Laufe des Jahrhunderts weiter verschärft.

Anpassung der Bewirtschaftung nötig

Früher richtete sich die Wahl der anzupflanzenden Bäume vor allem nach dem Markt. Heute orientieren sich Förster wie Fabio Gass an den neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Sollen neue Setzlinge gepflanzt werden, so rät Gass den Waldbesitzerinnen und Waldbesitzern zu Arten, die gemäss Klima­modellen auch in Zukunft gut am Standort wachsen werden. Dazu gehören im Schweizer Mittelland insbesondere jene, die mit wenig Wasser und hohen Temperaturen zurechtkommen. Gass weist auf die jungen Bäume, durch die er in den letzten drei Jahren die abgestorbenen Fichten ersetzte: Ahorn, Eiche, Lärche, Kirsche, Edelkastanie und Baumhasel. «Es braucht eine gewisse Vielfalt, um das Risiko zu vermindern», sagt er. So wird der Wald störungs- und stressresistenter. Fichten pflanzt Gass gar nicht mehr. «Eiche und Edelkastanie werden dagegen noch viele Jahre ihre Daseinsberechtigung haben», sagt er.

Exotische Arten verdrängen einheimische

Um ein weiteres Problem geht es am nächsten Tag: invasive Neophyten. Viele dieser exotischen Pflanzenarten profitieren von den milden Wintern, die der Klimawandel mit sich bringt. Gemeinsam mit der Interessengemeinschaft für Lebensraum und Umwelt Volketswil (IGLU) organisiert Gass jedes Jahr eine Aktion zu ihrer Bekämpfung. Beim Pistolen-Schützenhaus am Waldrand versammeln sich die Helferinnen und Helfer um Fabio Gass, welcher Karten des Waldes verteilt. Darauf sind die Flächen eingezeichnet, in denen Neophyten überhandgenommen haben. Die Anwesenden teilen sich in mehrere Gruppen auf und ziehen mit dem Fahrrad oder mit dem Auto los. Eines der betroffenen Gebiete ist ein Pfad hinter dem Schwimmbad Waldacher: Hier wachsen Einjähriges Berufkraut und Sommerflieder. Ersteres ist laut Fabio Gass im Wald weniger ein Problem als in Wiesen. Der Sommerflieder drängt jedoch die einheimischen Arten im Wald zurück. «Sommerflieder wird gross und breit und nimmt anderen Pflanzen den Platz und das Licht», sagt Gass. Bernhard Hirzel, pensionierter Gärtner und Mitglied des IGLU-Vereins, weist auf ein übermannshohes Exemplar. Zweijährig sind diese Austriebe, wie er an der Verholzung erkennen kann. «Zu meiner Lehrzeit sagte man noch, Sommerflieder friere im Winter zurück und treibe mit Winterschutz im Frühling wieder aus», sagt Hirzel. «Heute ist das nicht mehr der Fall.» Auch Kirschlorbeer und Henrys Geissblatt profitieren von den milder werdenden Temperaturen im Winter und sind in Gass’ Forstrevier nur dank der freiwilligen Helferinnen und Helfer unter Kontrolle. Wie der Sommerflieder stammen sie ursprünglich aus Asien und sind über Parks und Gärten in die Natur gelangt. Hirzel reisst den Sommerflieder aus und legt ihn auf einen Haufen. Gass wird diesen später mit dem Auto abholen, denn für den Transport mit dem Fahrrad ist es zu viel.

Zukunftsorientiert

Die Entscheidungen, die Gass heute fällt, haben langfristige Auswirkungen: Viele der Bäume in seinem Forstrevier werden ihn an Lebensdauer übertreffen. Währenddessen bringt die Wissenschaft laufend neue Erkenntnisse über den Wald im Zeitalter des Klimawandels. Eine Herausforderung, der er sich jedoch gerne annimmt. «Der Wald hat viele Geheimnisse, die noch nicht erforscht sind», sagt Gass. «Wir Förster versuchen, unsere ­Arbeit so zu machen, dass die nächsten Generationen möglichst lange etwas davon haben. Das Ergebnis unserer Arbeit werden wir nicht mehr erleben.»

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