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Fährt Paulus E-Bike?

Erstellt von Sabine Mäurer, reformierte Pfarrerin | |   Unsere Zeitung

«Passt euch den Massstäben dieser Welt nicht an. Gebraucht vielmehr euren Verstand in einer neuen Weise und lasst euch dadurch verwandeln», (Röm 12, 2). Manche Worte oder Sätze treffen mich mitten ins Herz: «Die Massstäbe dieser Welt» – welche sollen gelten? Haben nicht alle unsere Anliegen und Entscheidungen in unserem Leben beide Seiten: eine schwarz, die andere weiss?

Die faszinierenden Salzwüsten im Dreieck zwischen Argentinien, Chile und Bolivien lässt sich kaum ein Reisender in Südamerika entgehen. Doch die Wüsten sind bedroht. Denn unter den Salzwüsten lagern die weltgrössten Vorkommen von Lithium, dem zentralen Bestandteil für wiederaufladbare Batterien, die in unseren Akkuwerkzeugen, Smartphones, Laptops, E-Bikes und E-Autos usw. verbaut werden. Millionen Liter von salzhaltigem Grundwasser oder heissem Thermalwasser werden zur Gewinnung an die Oberfläche gepumpt, und über mehrere Monate wird Lithium über Verdunstung auf grossen Flächen gewonnen. Für die Elektrifizierung der weltweiten Automobilflotte allein wird das gesamte verfügbare Lithium benötigt. So dürfte ausgerechnet die Wende zu «grüner» Elektromobilität und Energie schuld an der Zerstörung einer der schönsten Wüstenlandschaften der Welt sein. «Die Massstäbe dieser Welt»: – Die Menschen in Europa und Nordamerika profitieren von zunehmender Elektromobilität und hoffen mit deren Hilfe auf die Einhaltung der Klimaziele. In der Schweiz wird das Metall nicht einmal rezykliert. – Die Menschen in Südamerika werden nicht am globalen Profit beteiligt, im Gegenteil: Sie werden arbeitslos durch die Enteignung von Land, tragen erneut die Last des Energiehungers der Wachstumsgesellschaften der sogenannten Ersten Welt, müssen die Folgen der Zerstörung ihrer Umwelt hin- nehmen. Weiss und schwarz, schwarz und weiss – beispielhaft an nur einem aktuellen Thema. «Passt euch den Massstäben dieser Welt nicht an.» Paulus setzt sich mit der Frage auseinander, wie das neue Leben in der römischen Gemeinde ganz konkret aussehen soll. Für ihn erhebt Gott Anspruch auf den ganzen Menschen: Geist, Seele und Körper. Es gibt für Paulus keinen Bereich, der von Gottes Dienst ausgeschlossen ist, in jeder Situation ist der Christ gefordert, den Willen Gottes zu vernehmen und ihm zu folgen. Gottes Dienst heisst, Leben als ein – altertümliches Wort! – «wohlgefälliges» Leben zu verstehen. Jesus hat uns den Massstab dafür vorgelebt. Beispiele: Demut, Nächstenliebe. Das ist für uns erwiesenermassen sehr schwierig. Ein Kollege schickte mir dieser Tage diese Worte: – Begegnung so gestalten, dass das Schweigen Raum hat. Neues Atmen (Geist) strömt in die entstandene Leerstelle. – Kirche so gestalten, dass das, was nicht aufgeht, Raum hat. Nicht mit abschliessenden Antworten, sondern als Stossseufzer – manchmal auch: Stossjauchzer – vor dem Unfassbaren, den wir Gott nennen. – Schweigen, nicht betreten, sondern mehr sagend. Könnten das erste Schritte sein? Schön schwer. 

Sabine Mäurer, reformierte Pfarrerin

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