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"Ein Mittelpunkt ist wichtig, um den Zusammenhalt zu stärken"

Erstellt von Toni Spitale | |   News

Der neue kommunale Richtplan «Siedlung und Landschaft», der gemeinsam mit der Bevölkerung erarbeitet wird, nimmt langsam Gestalt an. Im Interview mit den «Volketswiler Nachrichten» ziehen der Gemeindepräsident Jean-Philippe Pinto und der Hochbauvorstand Marcel Egloff eine erste Zwischenbilanz.

 

Im Juni haben in fünf Ortsteilen Gespräche mit der Bevölkerung stattgefunden, die Sie als Gemeinderäte begleitet haben. Welche Eindrücke haben Sie daraus gewonnen?

Jean-Philippe Pinto: Dies noch vorweg zum Verständnis: Die Revision des Richtplans ist ein Prozess, der sich in der Grössenordnung alle 25 Jahre wiederholt. Mit der öffentlichen Partizipation, die in Volketswil sehr erfolgreich angelaufen ist, können wir die Bevölkerung einerseits abholen, andererseits ihr auch die Ziele des Gemeinderates erklären. Die Ortsteilgespräche waren aus meiner Sicht positiv, weil nicht nur referiert worden ist, sondern die Teilnehmenden aktiv eingebunden waren. Sie schätzten es sehr, dass sie ihre Meinungen und Ideen einbringen konnten. Als Gemeinderäte haben wir uns dabei bewusst zurückgehalten. Weiter kam einmal mehr zum Tragen, dass sich die Leute auf ihr eigenes Wohnquartier fokussieren. Das ist so, und das muss man so zur Kenntnis nehmen. Der Gemeinderat hingegen muss aber den Fokus auf die gesamte Gemeinde richten, weil er Volketswil als Ganzes weiterent­wickeln will. Es gab noch einen interessanten Aspekt: Viele sagten mir, dass ihnen Volketswil, so wie es sich heute präsentiere, gefalle. Man müsse doch gar nichts ändern. Es ist aber die Aufgabe der Exekutive, die Gemeinde qualitativ und nachhaltig weiterzubringen.

Marcel Egloff: Die extrem grosse Teilnahme kann ich aus meiner Sicht nur positiv würdigen. Gemäss dem Büro Ampio ist das eine äusserst hohe Beteiligung. Normalerweise rechnet man mit 200 bis 300 Personen. Ich habe viele positive Rückmeldungen und sogar noch einen persönlichen Dank erhalten. Spannend und wichtig ist, dass die planerischen Eckwerte, welche sich der Gemeinderat während der Vorarbeiten zurechtgelegt hat, nicht einmal ansatzweise von den Wünschen der Bevölkerung abschweifen. Im Grundsatz sind wir auf Kurs, und das macht Freude.

Im Frühling fand eine Online-Umfrage statt, an der 572 Personen teilgenommen hatten. Deren Auswertung liegt nun vor. Im Grundsatz lautet der Tenor, dass ein qualitatives dem quantitativen Wachstum vorzuziehen sei. Wo möglich solle eine innere Verdichtung angestrebt werden. Gleichzeitig solle Volketswil seinen ländlichen Charakter bewahren und dürfe nicht zu einem zweiten «Dübai» (Dübendorf) werden. Wie ordnen Sie diese Aussagen ein?

Pinto: Ich verstehe alle, die ein mulmiges Gefühl haben. Aber es ist nun mal Tatsache, dass der Kanton Zürich jedes Jahr um 25000 Einwohner wächst. Das Wachstum soll aber nicht in Bauma oder in Turbenthal stattfinden, sondern hier in der Agglomeration. Und das müssen wir in unserer Planung berücksichtigen. Ich glaube, dass man diese Aussage «Wir wollen kein Dübai!» differenziert betrachten muss. Ich kann mir gut vorstellen, dass man in Gutenswil keine Hochhäuser will, aber an der Industriestrasse würde das die Bevölkerung überhaupt nicht stören. Hochhäuser sind nicht per se negativ. Dübendorf profitiert davon. Die Wohnungen im hochpreisigen Segment ziehen viele gute Steuerzahler an. Stellen Sie sich vor, wir hätten Hochhäuser an der Industriestrasse: Die Aussicht auf den Greifensee wäre top.

Egloff: Ich glaube, dass es dem Volketswiler bewusst ist, dass etwas passieren muss, und dass er gegenüber Änderungen offen ist. Er ist bereit für ein qualitatives Wachstum, für eine Verdichtung nach innen, will aber gleichzeitig auch das Dorfbild bewahren, das zeigt die Umfrage ganz deutlich. Es gibt bei uns genug Möglichkeiten, um nach innen zu verdichten, ohne Volketswil zuzubauen.

Pinto: Ich hätte es begrüsst, wenn an den Ortsteilgesprächen vermehrt jüngere Leute teilgenommen hätten. Denn das, was wir jetzt entscheiden, wird sich auf jene Altersklassen auswirken, die heute jünger als 30 Jahre alt sind. Bis alle Massnahmen umgesetzt sind, wird es 20 bis 30 Jahre dauern. Auch die Partizipation der ausländischen Wohnbevölkerung fehlte leider in den Ortsteilgesprächen.

Anstelle von neuen Wohnbauten wünscht sich die Mehrheit zusätzliche Freizeit- und Grünflächen. Mit einer Aufwertung der Siedlungsränder sollen Biodiversität und Natur gefördert werden. Eine Überdeckung der Autobahn zum Beispiel, eine Idee, welche von drei Vierteln der Teilnehmenden befürwortet wird, könnte die Aufenthaltsqualität ebenfalls stärken.

Pinto: Hier müssen wir realistisch bleiben. Es ist zwar schön, dass sich die Leute dafür einsetzen, aber der Zeithorizont dafür ist sehr lang. Zweitens müssen wir uns bewusst sein, dass der Strassenverkehr in 20 bis 30 Jahren tendenziell anders aussehen wird als heute. Es ist damit zu rechnen, dass der Lärm abnimmt. Dann würde auch die Frage nach ­einer Autobahnüberdeckung wieder anders gewertet werden. Lieber packen wir jetzt die Sachen an, welche wir relativ rasch realisieren können.

Egloff: Ich bin auch der Meinung, dass die Autobahnüberdeckung kurz- bis mittelfristig nicht realisierbar ist. Der planungsrechtliche Prozess ist langwierig, und die Finanzierung stellt auch eine Herausforderung dar. Aber das Thema wird auch ausserhalb der Gemeindegrenzen diskutiert, und es ist sicher nicht falsch, wenn man es immer wieder aufs Parkett bringt.

Pinto: Dranbleiben, ja, damit bin ich einverstanden. Das beste Beispiel ­dafür ist der Flugplatz Dübendorf. Dank dem unermüdlichen Lobbying der Anrainergemeinden konnte der kommerzielle Betrieb für Businessjets verhindert werden.

Während die Mehrheit einem Bevölkerungswachstum durch Zuzug eher skeptisch gegenübersteht, ist bei den juristischen Personen genau das Gegenteil der Fall: Steuerzahlende Firmen sollen in die bestehenden Arbeitsplatzgebiete gelockt werden, um den Wirtschaftsstandort zu stärken. Damit rennen die Umfrage-Teilnehmenden eine offene Türe ein, oder nicht, Herr Pinto?

Pinto: Absolut. Als Finanzvorstand dieser Gemeinde habe ich in der ­Vergangenheit schon mehrere Male auf den Rückgang bei den Steuereinnahmen der juristischen Personen hingewiesen. Allein durch den Wegzug durch die La Prairie Group erleiden wir einen Einbruch von über 50 Prozent. Es ist klar, dass wir uns dort neu positionieren müssen. Es gilt, zu versuchen, neue Firmen mit zukunftsgerichteten Technologien anzusiedeln und das Augenmerk nicht nur auf den Detailhandel und die Logistik zu richten. Wir müssen einen Wirtschaftszweig mit einer hohen Wertschöpfung zu uns nach Volketswil bringen. Es ist erschreckend, wie tief unsere Einnahmen von den juristischen Personen sind. Wir haben derzeit 1500 Firmen bei uns. Und es werden immer mehr, aber nur wenige bezahlen Steuern. Das ist ein Alarmsignal.

Wie weiter aus der Umfrage hervorgeht, sind die Probleme in den drei Ortsteilen Zimikon, Kindhausen und Gutenswil fast deckungsgleich. An allen Standorten wird ein lebendiger Dorfkern mit Gewerbe und Gastroangeboten vermisst. Zudem fühlen sich die Bewohner vom Durchgangsverkehr in ihrer Lebensqualität eingeschränkt. Herr Egloff, Sie leben selber in Gutenswil. Können Sie dies als Einwohner so bestätigen?

Egloff: Natürlich ist es wünschenswert, wenn es Gastroangebote und Kleingewerbe gibt, die den Dorfkern beleben würden. Was das Erstere ­betrifft, ist es aber so, dass wir nicht bestimmen können, wo ein Restaurant und wo ein Café zu eröffnen ist. Mit dem Richtplan können wir aber die planerischen Rahmenbedingungen schaffen, um solche Angebote grundsätzlich zu ermöglichen. Was das Thema Verkehr betrifft, so glaube ich, dass im Zuge des zu erwartenden Wachstums in Zukunft eher noch mit einem höheren Aufkommen gerechnet werden muss. Wegen der Sanierung der Umfahrungsstrasse und der Sanierung der Achse Illnau–Kemptthal steht Gutenswil im Brennpunkt. Wir sind momentan die Leidtragenden der Baustellen um uns herum. In diesem Sommer ist es besonders schlimm.

Pinto: Ich möchte da noch ergänzen, dass es auch in der Gesamtgemeinde einen Ortskern braucht. Das wird eine unserer Hauptaufgaben sein. Ein Mittelpunkt in der Gemeinde ist wichtig, um den Zusammenhalt zu stärken.

Die Auswertung und der Ideenkatalog haben 120 A4-Seiten gefüllt. Wie geht es nun weiter?

Egloff: Wir werden die Richtplan-Dokumente bis Ende Jahr finalisieren. Die Erkenntnisse aus der Online-Umfrage und den Ortsteilgesprächen werden darin einfliessen. Anfang des nächsten Jahres, 2024, wird dann der kommunale Richtplan «Siedlung und Landschaft» öffentlich aufgelegt. Gleichzeitig wird der Plan zur Vorprüfung beim Kanton ein­gereicht. Unser Ziel ist, dass wir die ­finale Version Anfang 2025 der ­Gemeindeversammlung zur Abstimmung vorlegen können, gemeinsam mit dem kommunalen Richtplan «Verkehr».

Alle Berichte und Protokolle können online unter: www.volketswil.ch/ortsplanung eingesehen werden.

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