Anmelden | Registrieren

Ehe für alle - Was sagen die Bibel und Jesus dazu?

Erstellt von Roland Portmann, reformierter Pfarrer | |   Unsere Zeitung

Die Ehe – ein Thema das eigentlich als "Privatsache" gilt, steht derzeit im Interesse der Öffentlichkeit. In den Diskussionen werden oft auch religiöse Argumente ins Feld geführt und Bibelverse zitiert.

Man könne etwa spezifischen Stellen der Bibel entnehmen, dass nur Frau und Mann füreinander geschaffen seien, wobei es gerade in der Geschichte von Adam und Eva ja eigentlich nicht um die "Ehe", als vielmehr um die Entstehung des Lebens geht… Und: Im Alten Testament gilt auch Polygamie als unbedenklich und Ehen wurden von den Vätern arrangiert. Die Erzväter wie Abraham und Jakob schlafen sowohl mit ihren Ehefrauen wie auch mit ihren Mägden. Die Propheten Esra und Nehemia verlangen, dass alle Mischehen zwischen Israeliten und Ausländern, das heisst zwischen Juden und Nichtjuden zu scheiden seien. Jesus hingegen verbietet die Scheidung aus sozialpolitischen Gründen und war selber wohl nicht verheiratet. Paulus rät sogar zur Ehelosigkeit: Für ihn ist die Ehe ein notwendiges Übel, dass vor Unzucht schützen soll. Sollen also aus einem Buch, das mehr als 2000 Jahre alt ist und in einem enorm patriarchalen Umfeld entstanden ist, wirklich rechtliche Grundlagen für unser heutiges Zusammenleben abgeleitet werden, ohne dies alles im historischen Kontext zu betrachten?

Verschiedene Konzepte von «Ehe» konkurrenzieren sich also in der Bibel und später in der Kirchengeschichte. Sie sind alle von ihrem historischen Kontext abhängig und somit auch in diesem zu betrachten. Bei den Katholiken wird die Ehe zum unauflöslichen Sakrament und die Ehelosigkeit, der Zölibat zur Tugend. Bei den Reformatoren, allen voran Martin Luther, ist die Ehe ein „weltlich Ding“ und ist privatrechtliches und nicht religiöses Thema; damit prägen die Reformatoren den modernen säkularen Ehebegriff und werden hier zu den Vorreitern der Moderne. Das Gleiche gilt für Homosexualität: Die Bibel kennt Homosexualität als verbindliche Beziehungsform zwischen gleichgeschlechtlichen Menschen eigentlich nicht. Es gibt zwar in den Beziehungen zwischen David und Jonathan und zwischen Jesus und seinem Liebelingsjünger Johannes vielleicht homoerotische Anspielungen- mehr aber nicht. Ja, die Bibel kennt eigentlich auch unsere moderne Form der romantischen Liebe nicht- die ist nämlich erst etwa 150 Jahre alt! In den Bibelstellen, die heute hier gerne zitiert werden, geht es eigentlich eher um homosexuelle Handlungen; hier aber im historischen Kontext vom Missbrauch von Sklaven durch ihre Herrinnen und Herren: es geht hier also um den Missbrauch von Abhängigkeiten.

Jesus sagt zu Homosexualität gar nichts, und Paulus verdammt zwar Pädophilie - das darf aber nicht mit einer modernen, gleichgeschlechtlichen Beziehung verglichen werden. Im 3. Buch Mose werden homosexuelle Handlungen und auch Selbstbefriedigung als Gräuel bezeichnet, der bestraft werden muss. Das aber vor allem aus der Angst vor dem hier möglichen Fehlen von Nachwuchs heraus. Aber: Quasi fast im selben Atemzug, also kurz vor dieser Textstelle, wird auch Sex während der Menstruation verboten, ja unter Strafe gesetzt. Es ist also absurd, ja geradezu gefährlich, diese Normen aus dem Kontext herauszunehmen und 1:1 für politisch verbindlich erklären zu wollen. Mit einzelnen, aus dem Zusammenhang gerissenen und nicht interpretierten Bibelversen lässt sich fast alles begründen. Im Klartext: Die Bibel eignet sich nicht als direkter, alltagspraktischer Ratgeber. Ihre Geschichten, die Handlungen der Personen und ihre Leitsätze müssen erst mittels wissenschaftlicher Exegese gedeutet werden. Die Kernaussagen der Bibel wie Gerechtigkeit und Nächstenliebe sind nicht alltagspraktische Ratschläge, sondern Werte.

Entscheidend aus biblisch-christlicher Sicht scheint, dass die Ehe einen Rahmen gibt für eine verantwortungsvolle Lebens- und Liebesbeziehung zwischen zwei Personen. Das Moment der Treue und der gegenseitigen Verantwortung ist zentral: Eine Ehe zu leben, heisst, dem anderen auf Augenhöhe zu begegnen und für ihn oder für sie Verantwortung zu übernehmen. Luther hat sehr schön beschrieben, wie die Ehe davon lebt, im Partner jenen Menschen zu sehen, den einem Gott an die Seite gestellt hat. Ob es sich dabei um eine gegengeschlechtliche Beziehung handelt oder nicht, ist nicht von Belang. 

Roland Portmann, reformierter Pfarrer, Volketswil

Zurück
Die Kommentarfunktion steht nur registrierten und angemeldeten Nutzern zur Verfügung. Zum Login.

Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!