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«Die Königin ist tot – lang lebe der König!»

Erstellt von Wort zum Sonntag | |   Unsere Zeitung

Queen Elisabeth II. ist tot- sie regierte das britische Commonwealth über 70 Jahre. Mit ihr endet eine Ära beginnend mit dem Aufbau Europas nach dem zweiten Weltkrieg, über den kalten Krieg bis heute. Obwohl die Monarchie in Grossbritannien nur noch zeremonielle Aufgaben wahrnimmt und keinerlei grossen Einfluss auf die politischen Geschäfte des Parlaments nehmen kann, geniesst sie in der Bevölkerung trotz einiger Skandale eine grosse Akzeptanz, ja Bewunderung.

Die Monarchie, das Königtum hat in Grossbritannien einen grossen Symbolcharakter und verweist auf Glanz und Stärke vor allem vergangener Zeiten. Auch das Volk Israel im alten Testament will einen König: Nach dem Erhalt der zehn Gebote am Sinai (Verfassung) und der Landnahme (Staatsgebiet) braucht es jetzt eine Regierungsform: Da alle anderen grossen Staaten um sie herum einen König beziehungsweise Pharao haben, muss das auch Israel haben! So versammeln sich die zwölf Stämme Israels wie an einer Landsgemeinde und fordern einen König: Doch es gibt kritische Stimmen. Propheten und Gottesmänner wie Samuel ermahnen das Volk: «Wollt ihr wirkliche einen Menschen aus Fleisch und Blut, einen Mann mit all seinen Vorzügen aber auch Schwächen, der über euch herrschen soll? Habt ihr nicht in der Sklaverei in Ägypten erlebt, was geschehen kann, wenn Menschen über Menschen herrschen? Wollt ihr nicht ein freier Stämmebund bleiben und in Notzeiten eure Anführer auf Zeit selber wählen? Haben wir mit Jahwe nicht einen einzigen Gott und Herrn und Gott allein ist unser König?»

Lieber ein "Gottesvolk"?

Aber nein- das kleine Volk Israel will auch Ägypten oder Assyrien sein und will einen König: man wählt den ersten König Saul und der zeigt bereits seine menschlichen Schwächen. Mit David und Salomo erlebt Israel zwar eine Glanzzeit, mit den nachfolgenden Königen nimmt das Verhängnis aber seinen Lauf: Grossmachtsfantasien und falsche Aussenpolitik und Korruption führen dazu, dass das Reich zuerst in ein Nord- und Südreich zerbricht, dann immer mehr in den Einflussbereich der Grossmächte Ägypten und Assyrien gerät und am Schluss von den Assyrern geschluckt wird. Vielleicht wären die Israeliten lieber ihr kleines «Gottesvolk» geblieben.

Anführer aus Fleisch und Blut

Auch die Jünger, die Schüler und später Nachfolger von Jesus von Nazareth wollen im neuen Testament wissen, wer den der «Höchste» unter ihnen, der Chef sei. Zwar ernennt Jesus Simon Petrus nominal als seinen Nachfolger; Er ist aber «primus inter pares»- Erster unter Gleichen: Denn Jesus verweist auch darauf, dass die Jünger und Jüngerinnen alle «gleich» sind und einander «dienen» und nicht übereinander herrschen sollen. Aber auch das reicht den Nachfolgern von Jesus nicht: Es braucht Bischöfe und später den Papst als Zeichen der Macht.

Wir Menschen wollen und brauchen anscheinend Anführerinnen und Anführer und Herrscherinnen und Herrscher aus Fleisch und Blut, sei es in der Monarchie aber auch in unserer Demokratie. Wir brauchen Identifikationsfiguren und unsere Heils- und Retterfiguren. Das «Big-Man»- Phänomen nennt man das auch, im Guten wie im Schlechten: so hat nicht Adolf Hitler allein den zweiten Weltkrieg vom Zaun gebrochen- sondern seine Millionen von Unterstützern und Bewunderern. Und auch nicht Churchill, Stalin und Roosevelt allein haben den Krieg gewonnen- sondern die Millionen von Soldat, die ihr Leben dafür liessen.

Nur einen einzigen König

Unsere - wenn auch gewählten- Anführerinnen und Anführer sowie Herrscherinnen und Herrscher immer wieder auf ihren Legitimationsanspruch, ja auch unser System immer wieder zu hinterfragen und gegebenfalls anzupassen, dazu fordert uns die Bibel auf: «Wollt ihr wirkliche einen Menschen aus Fleisch und Blut, einen Mann mit all seinen Vorzügen aber auch Schwächen, der über euch herrschen soll?» Und denken wir daran: als «freie» Christinnen und Christen haben wir nur einen König: Jesus Christus. 

Roland Portmann, reformierter Pfarrer

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