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"Deathpositiv" - auch Sterben und Tod verändern sich...

Erstellt von Roland Portmann, reformierter Pfarrer | |   Unsere Zeitung

Seit ein paar Jahren beobachten wir einen Wandel hier in Volketswil: immer weniger Menschen und deren Angehörige wünschen eine «klassische» Beerdigung mit Beisetzung auf dem Friedhof und anschliessendem Abdankungsgottesdienst in der Kirche. Urnenbeisetzungen am Grab im kleinen Kreis der engsten Angehörigen werden immer mehr bevorzugt. Auch andere (Kirch-)Gemeinden machen dieselbe Erfahrung: Es handelt sich hier also um einen gesellschaftlichen Trend.

Diesen Trend kann man auf vielerlei Art erklären beziehungsweise deuten: Zum einen ist es sicher ein Traditionsabbruch, zum anderen auch der Trend zur Individualisierung und Privatisierung, die sich hier bemerkbar machen. Konnte man das vor rund 10 bis 20 Jahren bei den Hochzeiten beobachten, so geschieht dies nun auch bei Beerdigungen: Sie verschieben sich immer mehr vom öffentlichen in den privaten Raum; hat früher noch das ganze «Dorf» daran teilgenommen, finden sie nun immer mehr im kleinen, privaten Rahmen statt. In Bezug auf die Beerdigungen spielt der Fact, dass immer mehr Angehörige von Verstorbenen von «aussen» kommen, das heisst nicht in Volketswil wohnen und somit kaum mehr oder gar keine Beziehung zur (Kirch)Gemeinde haben, wohl auch einen grossen Einfluss: Man kennt die Kirche, die Pfarrpersonen und Gepflogenheiten vor Ort nicht und macht dann halt etwas «Kleines»; zudem scheuen Menschen immer mehr Beerdigungen als «bürgerliche» Grossanlässe mit Vereinsfahnen und Laudatio- Reden. Die Welt beziehungsweise die Gesellschaft ist im Wandel und wir können ihn nicht verhindern, sondern nur mitgehen und gestalten: Wandel birgt nämlich auch Chancen in sich. Bei Beerdigungen kann zum Beispiel jetzt mehr auf die individuellen Wünsche nach Ort und Zeit Rücksicht genommen werden; Wunschlieder und Wunschtexte haben Platz, man kann zusammen mit den eigenen Angehörigen «seine» Beerdigung selber mitgestalten ... Beerdigungen können so persönlicher werden und werden so vielleicht zum Teil auch ehrlicher, weil dann die Trauer nicht mehr so stark einem klaren Ablauf oder Protokoll entsprechen muss ... Aber nicht nur die Beerdigungspraxis verändert sich, auch die Einstellung zum Tod generell scheint sich zu verändern: Für viele Menschen scheinen Sterben und Tod ein Tabu-Thema zu sein, über das man lieber nicht redet – als könnte man sie so herbeirufen, oder man erträgt schlichtweg die eigentliche Sterblichkeit nicht. Deshalb lieber verdrängen und nicht darüber reden. Diesem scheinbaren Tabu ein Ende setzen will die Bewegung «Deathpositiv» aus den USA. Menschen reden hier gezielt über Sterben und Tod und wollen beiden ihren Schrecken nehmen, indem sie sie selber bestimmen wollen: Zeit und Ort des eigenen Todes wollen gestaltet, ja bestimmt sein. Das eigene Sterben wird mit Musik und Choreografie beinahe inszeniert. Etwas bis anhin Unverfügbares wird immer mehr in den Raum der Autonomie, der Selbstbestimmung gezogen. Ob dies alles wirklich einen besseren Umgang mit Sterben und Tod ermöglicht, kann bezweifelt werden. Darüber reden ist zuerst einmal immer gut: Hier lernt man, die eigene Sterblichkeit vielleicht ein Stück weit zu akzeptieren und mit Trauer umzugehen. Sogenannte «Death-Cafés», wie das der reformierten Kirche in Bern sind hier löbliche Beispiele. Natürlich wollen wir alle als selbstbestimmende Individuen leben und heute auch sterben – gleichzeitig müssen wir aber akzeptieren, dass unser Leben und eben auch unser Sterben immer ein Stück weit unverfügbar bleiben, eben nicht in unserer Hand sind: Wir werden «ungeplant» krank oder können einen Unfall erleiden ...Sterben und Tod den «Stachel» ziehen: Davon berichtet auch die Bibel. Mit der Auferstehung von Jesus Christus überwindet dieser den Tod. Was es mit dieser Kraft der Auferstehung auf sich hat, erleben wir immer wieder im Frühling, an Ostern und jeder Gottesdienst erinnert mit der brennenden Osterkerze daran. Dass ich leben und sterben und dabei getrost auf meinen «Heiland» blicken kann, gibt mir Zuversicht: Ich kann und muss im Leben wie im Sterben nicht alles planen, sondern bin stets ganz in Gottes Hand. 

Roland Portmann, reformierter Pfarrer

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