Anmelden | Registrieren

Corona: Wer ist schuld?

Erstellt von Roland Portmann, reformierter Pfarrer | |   Unsere Zeitung

Die Chinesen, der Bundesrat, die, die sich nicht an die Verordnungen halten , die WHO oder gar Gott?

Wenn Menschen Schlechtes wiederfährt, dann wenn wir oder andere Schaden erleiden, stellen wir uns zu weilen die Schuldfrage: Wer ist schuld? Wer trägt die Verantwortung? Die Klärung der Schuldfrage ist ein Versuch, das Unerwartete einzuordnen, mit Leid und Unrecht fertig zu werden, es zu verarbeiten, es in unserem Leben verorten zu können: Wir wollen so den Grund, die Ursache des Übels klären mit der Hoffnung, es zu verstehen und vielleicht in Zukunft auch verhindern zu können. Aber selbst wenn wir den Grund oder die Urheberschaft wüssten, was könnten wir dann genau einfordern? Gerade die aktuelle Corona-Krise zeigt uns das: Selbst wenn wir den/die Patientin ausfindig machen, Staaten wie China, der eigenen Regierung oder einzelnen Menschen Verfehlungen nach weisen könnten oder darin sogar Gottes Willen zu erkennen glaubten, hätte diese Erkenntnis ihre Grenzen: Wir dürfen und können hier von allfälligen «Schuldigen» keine Wiedergutmachung wie vor Gericht erwarten. «Wenn niemand verantwortlich ist, so tragen alle die Verantwortung», soll der aktuelle Papst einmal gesagt haben. Und hier hat er Recht: Als Menschen, nach dem Bilde Gottes gestaltet, gemäss der Bibel als Mit-Gestalter und Kultivierer beauftragt, tragen wir eine Verantwortung gegenüber dem anvertrauten Leben und der Schöpfung. Gerade in der Schuldfrage um die Corona-Krise können wir so selber nicht der Verantwortung ausweichen, indem wir auf andere zeigen oder gar wilde Verschwörungstheorien ausdenken, denn wir selber sind Teil des Systems, ja haben es selber mitaufgebaut und bisher davon profitiert: Wir leben alle in einer globalisierten Welt des Kapitalismus und glauben zu weilen, dass der Markt alles regeln könnte. Wir behandeln Tiere wie Gegenstände und nutzen andere Menschen für unseren Konsum von Billigwaren gnadenlos aus. Wir bevölkern den Himmel mit unserer «Fluglust» wie die Vögel. Unsere Idee der Steigerung der Effizienz durch Privatisierung hat uns im Pflegewesen in Versorgungsengpässe geführt. Es ist unsere Lebensweise, die eine Pandemie wie die jetzig überhaupt möglich macht. Wenn jemand hier die Verantwortung trägt, dann wir alle. Und wir werden das auch in Zukunft tun, wenn wir nach der Krise einfach so weiter machen wie bisher. Aber es gibt einen Lichtblick, eine Chance zum Neuanfang oder mindestens zur Veränderung: Wenn wir uns für eine soziale und ökologisch nachhaltige Politik einsetzen, wenn wir uns selber ebenfalls in unserem zügellosen Konsum beschränken, wenn wir mutig und offen sind, anstatt uns vor einem bis jetzt (un)möglichen Ansturm von Migranten zu fürchten, dann ist ein Neuanfang oder besser eine Entwicklung zu einer «besseren» Welt möglich. Mut und Hoffnung macht uns dabei auch unser Blick hinaus in die Natur: Das Leben ist stärker als der Tod. Die Welt lebt und blüht - und das ohne unser Zutun oder vielleicht auch gerade eben deswegen. Wer also ist schuld? Wer ist also verantwortlich? Wir alle - sich das einzugestehen ist der erste Schritt in die richtige Richtung…

Roland Portmann, reformierter Pfarrer

Zurück
Die Kommentarfunktion steht nur registrierten und angemeldeten Nutzern zur Verfügung. Zum Login.

Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!