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Corona und Gott: Woran kann ich noch glauben?

Erstellt von Roland Portmann, reformierter Pfarrer | |   Unsere Zeitung

Ich weiss nicht, wie es ihnen geht, aber ich bin in der gegenwärtigen Situation ziemlich verwirrt und überfordert: Die Coronafallzahlen sind exorbitant hoch und steigen weiter. Im Gegenzug sind die derzeitigen Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie eher zögerlich im Vergleich zu der Zeit des Lockdowns.

Wir tragen Masken in den öffentlichen Verkehrsmitteln und in den Geschäften. Clubs sind aber weiterhin - zwar unter Restriktionen - geöffnet. Bei uns in der Kirche haben wir Maskenpflicht und Gesangsverbot. In anderen Kirchgemeinden feiert man fröhlich Gottesdienst mit allem Drum und Dran - sogar mit Begrüssung und Kirchenkaffee…

Einige Menschen leben weiterhin in grosser Angst vor einer Ansteckung, andere leben unbekümmert wie vorher… Als der Bund das Zepter übernahm, waren die Weisungen klar- man konnte zwar dafür oder dagegen sein, aber es herrschte einheitliches Handeln. Jetzt scheint jeder Kanton allein vor sich hin zu wursteln…

Für mich als Laien, der weder von Pandemien noch deren Eindämmung eine grosse Ahnung hat, herrscht Verwirrung… Aber auch auf unsere Experten in diesen Fragen kann ich mich nur schwer verlassen: Am Anfang hiess es, Masken würden nichts nützen, jetzt sind sie im öffentlichen Raum Pflicht. Kinder waren am Anfang die grossen «Gefahrenherde», jetzt werden sie von Covid19 nur leicht betroffen…

Im Fernsehen duellieren sich unsere Sachexperten gegenseitig und jeder von ihnen will es im Vergleich zu seinen Kollegen «richtig» wissen. Zu jeder Statistik oder Expertise gibt es eine Gegenexpertise die das Gegenteil «beweist.» Was heute gilt, scheint morgen schon anders zu sein. Was kann ich da als Otto-Normalbürger noch glauben?

Wir Menschen sind für einen Langzeitausnahmeszustand wie durch Corona nicht geschaffen: Beständigkeit und ein gewisses Grad an Verlässlichkeit sind wichtig für unser Leben: Ich muss auf gewisse Dinge zählen können, um mich im Leben organisieren und orientieren zu können. Das gilt für den Busfahrplan sowie für den zwischenmenschlichen Umgang. Das gilt auch für Glaubensfragen: Zwar «weiss» ich durch die Bibel, dass Gott seine Menschen liebt und sie auch in den Stürmen des Lebens begleitet. Aber gerade in diesen Stürmen wie eben in der Zeit von Corona, kommen mir da gelegentlich auch Zweifel und Fragen: Wenn Gott der Schöpfer aller Ding ist - wie es so schön in einem Kirchenlied heisst - ist er es dann nicht auch von Corona? Gewisse Stellen in der Bibel weisen in diese Richtung…

Oder lässt Gott Corona nur einfach zu- wie es oft in evangelikalen Kreisen behauptet wird? Diese Entschuldung von Gott ist mir zu einfach und geht mir zu schnell: Sie entmachtet Gott und degradiert ihn vom Schöpfer zum Zuschauer - zudem ist sie unbiblisch… Mit meinem Verstand allein bleiben diese Fragen wohl offen und unbeantwortbar. Schaue ich mir dann aber wieder ein Bild von Jesus, wie das von Rembrandt oder vom Isenheimer Alter an, beantworten sich für mich diese Fragen nicht im Kopf, sondern im Herzen. Ich vertraue, ja glaube weiterhin an Jesus, den Christus und seinen Weg der Liebe. Der Weg der Liebe trägt uns durch die Stürme des Lebens, auch durch Corona hindurch- das glaube ich.

Roland Portmann, reformierter Pfarrer

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