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Bettina Gysi - die erste weibliche Führungsperson des Industrievereins

Erstellt von Toni Spitale | |   News

Im Sommergespräch mit den «Volketswiler Nachrichten» legt die IVV-Präsidentin dar, warum es in Sachen Industriestrasse stockt, weshalb Volketswil eine Wirtschaftsförderung braucht und wo sie den Frauenstreiktag verbracht hat.

Frau Gysi: Sie haben für unser Sommergespräch die Dachterrasse des Einkaufszentrums Inside gewählt – warum gerade hier?

Bettina Gysi: Das Inside ist ein sehr schönes Gebäude. Von der Dachterrasse her hat man einen schönen Ausblick über das Kommen und Gehen im Einkaufs- und Industriegebiet von Volketswil. Das bereitet mir als Präsidentin des Industrievereins Volketswil einen besonderen Genuss. Zum Thema Genuss muss noch gesagt werden, dass die Restaurants Pizzeria Costa Viola, Costa Viola Bar-Lounch-Bistro und das Restaurant Konshi, Asian Kitchen & Sushi hervorragende Adressen sind, sowohl kulinarisch als auch zum Verweilen.

Gibt es in Volketswil etwas worüber Sie sich ärgern?

Mich ärgert, dass die Wirtschaftsförderung wohl zu den Aufgaben des Gemeindepräsidiums gehört, aber nur als Pflege der Beziehung nach aussen und nicht als Ressort-Aufgabe Präsidiales. Hier fehlt eine Stelle und eine Kommission, die sich Gedanken über die wirtschaftliche Entwicklung von Volketswil mach und aktiv ist. Welche Firmen sind in Volketswil und haben leere Räumlichkeiten? Was steht zur Vermietung oder zum Verkauf? Welche Firmen sind auf der Suche nach einem Standort in Volketswil und Umgebung? Anfragen hat die Gemeinde von Firmen oder von anderen Standortförderungsstellen im Kanton immer wieder. Doch diese können durch die Gemeinde nicht beantwortet werden, können nicht hilfreich bewirtschaftet oder aktiv begleitet, weil schlicht und einfach eine Stelle fehlt, die sich der Wirtschaftsförderung annimmt. Welche Firmen/Branchen sollen nach Volketswil kommen? Welche Entwicklung wünschen wir uns und soll gezielt gefördert und begleitet werden? Der Innovationspark wird verschiedene Unternehmen zum Gedeihen bringen, die mit dem Wachstum in die Umgebung ausfliegen. Wenn wir nicht bereit sind, werden diese an Volketswil vorbeiziehen und das Stellenangebot sowie die Stellenvielfalt in der Gemeinde werden abnehmen.

Leerstehende Büro- und Gewerberäume wurden auch am ersten Volketswil Economic Forum (VEF) eingehend thematisiert. Von Seiten der Gemeinde erwartet man eine klare Mitarbeit des IVV an der Problemlösung.

Wir stehen gerne zur Mitarbeit in einer Standortförderungskommission zur Verfügung. Die Ressource respektive die Stelle ist jedoch von der Gemeinde zu errichten.

Gibt es aus dem ersten VEF-Anlass, in dessen OK sie auch dabei sind, schon konkrete Erfolge zu verbuchen, ausser dass es im nächsten Jahr eine Wiederholung gibt?

Eine klare Erkenntnis war, dass die Gemeinschaft uns stark macht. Die Zusammenarbeit mit anderen Vereinen und Gemeinden im Sinne von Clusterbildung soll nicht nur in Richtung Flughafenregion, sondern auch in Richtung Zürcher Oberland oder dem Wirtschaftsraum Greifensee gehen. In diesem Sinn soll das nächste Economic Forum 2020 auch für ein bis zwei weitere Partnervereine geöffnet werden.

Weiter war die Rede von einem einheitlichen und starken Auftritt für den Wirtschaftsstandort Volketswil. Um dies zu erreichen, müsse man die vorhandenen Ressourcen bündeln und gemeinsame Sache machen. Wie steht es um eine Fusion von Gewerbeverein und Industrieverein?

Mit einer Standortförderung könnte die Gemeinde zusammen mit dem GVV und IVV einen starken gemeinsamen Auftritt organisieren. Die Bedürfnisse des Gewerbes, der kleinen und mittleren Unternehmen sind jedoch gegenüber den mittleren und grossen Unternehmen sehr unterschiedlich. Vor allem betrifft dies nationale und internationale Fragen gegenüber sehr Lokalen und kantonalen Fragen. Diese unterschiedlichen Bedürfnisse decken wir durch unsere separaten Vereine ab.

In wenigen Wochen jährt sich Ihre Tätigkeit als Präsidentin des Industrievereins Volketswil und Umgebung. Wie haben Sie Ihr erstes Jahr als IVV-Chefin in Erinnerung?

Es war ein arbeitsintensives Jahr. Wir haben sehr viel angepackt. Neben dem Austausch mit anderen Vereinen, wie dem Gewerbeverein, dem Verein Ortsgeschichte, dem Wirtschaftsforum Uster, der Vereinigung Zürcher Arbeitgeber der Industrie und dem AVZO, stand vor allem die Organisation und Durchführung des ersten VEF im Vordergrund. Dieses haben wir zusammen mit dem Gewerbeverein und der Gemeinde erfolgreich durchgeführt. Es war für uns wie ein Startschuss, die wirtschaftliche Entwicklung von Volketswil gemeinsam mit den Unternehmern aus und um Volketswil und der Gemeinde anzupacken.

Der IVV fördert ja bekanntlich mit diversen Anlässen den Austausch unter seinen Mitgliedern. Wie wird die derzeitige Konjunkturlage wahrgenommen? Welche Signale erhalten Sie aus dem Kreis Ihrer 130 Mitglieder zählenden Vereinigung?

Die Wirtschaftslage verzeichnet ein moderates BIP Wachstum. Im Inlandmarkt zeigen sich eine gesteigerte Auftragslage - vor allem im Bauumfeld - ein unverändert hoher Preisdruck und eine sehr niedrige Arbeitslosenquote. Der Fachkräftemangel hat sich tendenziell verschärft und die Löhne der Fachkräfte steigen überproportional an. Im Ausland zeigt sich eine schwächere Weltkonjunktur, die sich auf den Schweizer Aussenhandel nieder schlägt. Die Prognosen für 2020 zeigen auf Wachstum, doch der Handelsstreit der USA und China bereitet zunehmend Sorge und führen vereinzelt bereits zu Problemen. Es ist auch wieder ein Trend zu mehr und mehr nationalen und verschärften Regeln zu sehen. Dabei wünschen sich die Firmen weniger staatliche Regulierungen, um mehr das freie Unternehmertum zu leben.

Der Kanton plant, die Industriestrasse zu einer Art «Boulevard» umzugestalten. Der Industrieverein ist dagegen. Warum eigentlich?

Die Industriestrasse ist eine Durchgangsstrasse von Schwerzenbach zum Autobahnanschluss und die Verlängerung der Umfahrung Volketswil von Gutenswil zum Autobahnanschluss. Die Industrie entstand hier, weil die Strasse einen guten, schnellen Anschluss an die Autobahn gewährleistet. Die separate Busspur erreicht einen schnelles Durchkommen für den ÖV und die Haltebuchten halten den motorisierten Verkehr flüssig. Beides ist wichtig, sowohl für die Kunden in den Einkaufszentren, wie auch für die Lastwagen der Industrie und für alle die schnell zum Autobahnanschluss kommen wollen. Der Kanton möchte die Durchgangsstrasse beruhigen und den Verkehr vor der Durchfahrt mit Ampeln zurückhalten, so dass der Verkehr innerhalb der Industriestrasse flüssiger läuft. Wir sind der Meinung, dass dies die Stauproblematik nur nach aussen verschiebt, so dass der Stau dann in den Wohnquartieren ist. Das Ziel muss sein, den Durchgang noch flüssiger zu machen, was mit einer durchgehenden breiteren Busspur, die auch für Velos da ist, und Kreiseln erreicht werden kann.

Als Leiterin der internen Verkehrskommission sind Sie aktiv geworden und haben mit den Zuständigen vom Kanton das Gespräch gesucht. Was können Sie über den aktuellen Stand der Verhandlungen sagen?

Zurzeit ist Funkstille. Seit wir im Juli 2018 der Gemeinde unsere Stellungnahme abgegeben haben und seitens der Gemeinde Greifensee die neue Greifenseestrasse abgelehnt wurde, haben wir vom Kanton nichts mehr gehört.

Woran liegt es, dass es nicht vorwärts geht…

Die Situation ist sehr komplex und dazu kommen die politischen Einflüsse. Das Projekt Industriestrasse war abhängig von der neuen Greifenseestrasse.. Mit der Ablehnung der Greifenseestrasse durch die Gemeinde Greifensee und ohne Einigung zwischen Greifensee – Uster – Kanton, sowie gegebenenfalls Volketswil und Schwerzenbach, ist das Projekt zum Scheitern verurteilt. Wie es nun weiter gehen wird, ist für uns momentan unklar.

Kann der IVV auf die Unterstützung der Gemeinde zählen – oder sind die Meinungen in Sachen Industriestrasse von unterschiedlicher Natur?

In vielerlei Hinsicht haben die Gemeinde und der IVV ähnliche Ansichten. Der Informationsaustausch könnte sicherlich noch besser sein und wir hoffen, dass wir bald wieder über den Stand der Dinge informiert werden. Vertreten wir doch die betroffenen Unternehmungen und damit verbunden rund 10’000 Arbeitnehmer, sowie den gesamten Einkaufsverkehr.

Sie sind beruflich in einer Kaderfunktion bei der Zürcher Kantonalbank tätig und führen als erste weibliche Person den Industrieverein. Fühlen Sie sich gegenüber Ihren männlichen Arbeits- und Vorstandskollegen benachteiligt?

Nein. Ich bin seit bald 10 Jahren im IVV-Vorstand und wir sind ein hervorragendes, fortschrittliches Team. Die Vorstandsarbeit verteilen wir je nach geschäftlichem Arbeitsanfall gut auf alle Schultern und wir agieren einvernehmlich und gleichberechtigt. Wir verfolgen eine gemeinsame Mission und stehen nicht in Konkurrenz zueinander.

Was halten Sie ganz allgemein von Frauenquoten?

Das ist ein heikles Thema. Hier stehen Mann und Frau im Beruf in Konkurrenz zueinander. Früher war ich der Meinung, dass die Person mit den besten Qualifikationen den Führungsjob erhalten soll. Heute haben Frauen ausbildungsbezogen keinen Rückstand mehr gegenüber den Männern und bringen die gleichen Qualifikationen mit. Führungspositionen und Führungsverhalten werden heute immer noch mit typisch «männlichen» Vorstellungen verbunden. Aus der heutigen Forschung weiss man, dass sowohl Männer wie Frauen gleichermassen für Führungspositionen geeignet sind. Es fällt auf, dass hochqualifizierte Frauen auf der Ebene des mittleren Managements «hängen bleiben»und nicht die obere Führungsetagen erreichen, obwohl sie vergleichbare Leistungen erbringen. Sprich: Sie stossen an die «gläsernen Decke».Heute bin ich klar für Frauenquoten, weil dies ein klares Ziel ist, weil Männer mit klaren Zielen besser umgehen können und auf diese Weise die Führungsetagen ausgewogener ausgestattet werden können. Wollen die Männer wirklich die Frauen fördern und ihre Führungsgremien bereichern, sollten sie sich auch zu Frauenquoten bekennen und deshalb begründen müssen, wieso sie das noch nicht geschafft haben.

Mitte Juni fand schweizweit ein Frauenstreiktag statt. Waren Sie dabei?

Am 14. Juni war ich, zusammen mit meinem Mann, mit der Handelskammer Finnland-Schweiz in der finnischen Stadt Imatra unterwegs. Wir haben an diesem Tag die Firma StoraEnso besichtigt, die gemessen an der Produktionskapazität das zweitgrösste Forstunternehmen der Welt ist. Selbstverständlich habe ich an den Frauenstreiktag gedacht. Übrigens ist der Frauenanteil in den Führungsetagen in Finnland schon bei rund 35 Prozent, während sie in der Schweiz noch bei 18bis 20 Prozent für GL und VR herumdümpelt. Ich war also bei meinen finnischen Kolleginnen und Kollegen bestens aufgehoben.

Haben Sie Verständnis für die Forderungen der Frauen?

Die Forderungen sind sehr vielfältig und zahlreich. Welche konkret meinen Sie? Grundsätzlich bin ich dafür, dass es Männern (ja, Männern) auch möglich sein soll, sich an der Familienarbeit zu beteiligen, Teilzeit zu arbeiten und Karriere zu machen und dies prozentual angepasst zum gleichen Lohn, wie die vollzeitarbeitenden Personen (Männer und Frauen). Es gibt gerechtfertigte Forderungen und es gibt übertriebene Forderungen. Wichtig ist Fairness für alle Seiten.

Welches sind Ihre nächsten Ziele in Ihrem Leben?

Im Beruf will ich weiterhin einen guten Job machen und die KMUs bankseitig begleiten. Zu dem feiert die Zürcher Kantonalbank im kommenden Jahr das 150-Jahr Jubiläum, bei dem ich meinen Arbeitgeber durch mein zusätzliches Engagement repräsentieren möchte. Privat will ich meine Familie in der beruflichen Entwicklung unterstützen. Mein Mann leitet seit April 2019 eine Autowerkstatt in der Forch, der ältere Sohn sucht nach seinem Maturaabschluss eine befristete Arbeit bis zum Eintritt in die RS im Januar 2020 und der jüngere Sohn hat noch drei Jahre in der Elektroniker-Lehre vor sich. Dann gilt es, den IVV-Vorstand weiter zu ergänzen, denn mein Kollege Daniel Kurz und ich werden von unseren Ämtern per September 2020 zurücktreten.

Die Ferienzeit neigt dem Ende zu, wo und wie haben Sie den Sommer verbracht?

Wir haben mit der Familie eine Zugreise mit Kurzaufenthalt in Davos, dann mit dem Bernina-Express über die schöne Gebirgswelt Albula und Bernina nach Tirano und weiter nach Lugano gemacht. Ausspannen, die Familie geniessen und die Tage einfach etwas ruhiger nehmen, war das Motto. 

Was macht Bettina Gysi eigentlich, wenn sie nicht für das VEF, den IVV, oder die Bank im Einsatz steht?

Dann gehe ich mit meinem Mann tanzen, widme ich mich der Jugend und der körperlichen Fitness. Ich bin Turnerin und war mit der Frauenriege Winterthur-Hegi aktiv am Eidgenössischen Turnfest in Aarau dabei. Zudem bin ich Kunstturn-Trainerin in der Kunstturnerriege Hegi und trainiere jeden Samstagmorgen die Fünf- bis Sechsjährigen Knaben. Im April 2020 wird unsere Riege die kantonalen Nachwuchswettkämpfe in Winterthur-Hegi organisieren.

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