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Wort, das in Palästen schweigt...

Erstellt von Gina Schibler, reformierte Pfarrerin | |   Unsere Zeitung

Seit alters her gedenkt die Kirche der ermordeten Kinder, die aufgrund der Machtgier des Königs Herodes nach Christi Geburt getötet wurden. Zwei unterschiedliche Arten von "Palästen" sind mir in der letzten Woche ins Auge gestochen: Das neu eröffnete, in vollem Glanz strahlende Volkiland.

Dessen Regale und Auslagen biegen sich vor Angeboten und Luxuslebensmitteln, wie sonst bei den Grossverteiler rings in der Region. Luxus und Überfluss soweit das Auge reicht. - Der Palast des heutigen Herrschers von Saudiarabien, Mohammed bin Salman in Riad. Unser Palast in Volketswil wurde vor wenigen Wochen eröffnet und stellten uns in der Weihnachtszeit sogar am Sonntag ein Angebot von Käse, Fleisch, Gemüse und Frischeprodukten bereit, das ich nicht zu beschreiben vermag. Ich schlenderte überwältigt hindurch und muss gestehen: Mir fehlen angesichts der Fülle schlicht die Worte. Nur ein Bild passt: Schlaraffenland. Durch den Palast von Prinz Salman konnte ich nicht schlendern, aber von ihm war weltweit die Rede. Der gegenwärtige Herrscher brachte am 11. Dezember 2019 – quasi als Weihnachtsgeschenk - die staatliche Ölfima Saudi Aramco an die Börse und löste dafür über 20 Milliarden Dollar! Was für Paläste! Sind sie auf Sand oder Fels gebaut? Wer herrscht, wer residiert darin? Den Palast des heutigen Herodes – denken wir nur an Kashoggi! – finanzieren übrigens wir alle. Mit unserem Geld! Seine Schätze – Erdöl – verscherbelte Salman allerdings am 11. Dez. nur teilweise – sie müssten jedoch, wenn die Staatenlenker ihre Versprechungen der Klimakonferenz 2015 in Paris ernst nehmen – für immer ungenutzt im Boden bleiben. Dann aber sind sie nicht 1,7 Billionen Dollar wert – sondern gar nichts mehr. Ist das der Grund, das Salman sie zu Geld zu machen versucht? Aber wer ist so blöd, auf den eigenen Untergang zu wetten? Haben Sie übrigens gewusst: Saudiarabien übernimmt 2020 den Vorsitz der G20 – und die Schweiz ist erstmals auf Einladung Saudiarabiens (wenn auch ohne Stimmrecht) mit dabei. Welche Ironie: Wie wenn damals der Gewaltherrscher Herodes – der vor Kindermord, ja sogar der Ermordung seiner eigenen Nachkommen nicht zurückschreckte – den Vorsitz der damaligen Weltgemeinschaft übernommen hätte. Ausgerechnet! Das Jahr 2020 verspricht spannend zu werden: Auf der einen Seite der Staatsherrscher mit dem grössten Staatskonzern auf Erdölbasis – und damit demjeningen Konzern, der die grösste Verantwortung für die Klimakrise trägt. Die Klimakrise, die früher im Jahr die Arktis, dann den Amazonas und aktuell Australien mit riesigen Buschbränden heimsucht, mit Feuerstürmen, die so heiss und so gefährlich sind, dass sie mit menschlichen Mitteln nicht mehr zu löschen sind. Und dort eine Klimajugend, gemeinsam mit Christen und Gutgesinnten der ganzen Welt, vereint fürs Lebens. Unsere Symbolfigur: Greta, ein sechzehnjähriges Mädchen, das mit seinem Schild furchtlos für den Klimaschutz einsteht. Greta, das die Mächtigen in Davos 2019 zur Umkehr aufrief und dafür auf der Parsenn im Iglu übernachtete. Greta, die auf den Flügeln der Morgenröte nach New York segelte und dort den Verantwortlichen ins Gewissen redete. Greta, die im Zug nach Schweden quer durch Europa auf dem Fussboden Platz nahm. Wer wird siegen in diesem ungleichen Duell? Die mächtigen Nachfahren von Herodes in ihren Palästen oder wir kleinen, machtlosen Freunde der Erde, die für Klimagerechtigkeit einstehen? Doch wir sind in diesem titanischen Ringen nicht nur bequeme Zuschauer, sondern Mitverantwortliche: Human Chance, not Climate Chance: Wir werden uns wandeln, damit sich das Klima nicht noch mehr wandelt.

Gina Schibler, reformierte Pfarrerin

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