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Wie viel Selbstbestimmung wollen wir?

Erstellt von Tobias Günter, reformierter Pfarrer | |   Unsere Zeitung

Keine Angst, ich möchte nicht über die Selbstbestimmungsinitiative der SVP sprechen, über welche wir am 25. November 2018 abgestimmt haben. Mir geht’s um Selbstbestimmung im Leben, um die Möglichkeit frei entscheiden zu können. Im Psalm 90,10 steht, dass wir Menschen 70 oder, wenn’s hoch komme, 80 Jahre zu leben hätten. Dieses Leben dürfen wir, zumindest wenn wir erwachsen sind, selbst bestimmt leben, was uns sehr wünschenswert erscheint. Auch wollen wir das Leben bis aufs Äusserste schützen. Das sieht man daran, dass wir Suizide um jeden Preis verhindern wollen. So führt beispielsweise die SBB Kampagnen wie das 4-Augen-Prinzip durch, wobei Reisende besonders aufmerksam sein und durch ein behutsames Gespräch verhindern sollen, dass sich Jemand in Not vor einen Zug wirft. Oder an Hängebrücken über weite Abgründe sind die Geländer besonders hoch.

Andererseits denken wir zunehmend über den Wert des Lebens nach. Immer wieder flammen Diskussionen auf, wie teuer Medikamente für unheilbar oder schwerkranke Menschen sein oder wie viel die letzten Lebensmonate kosten dürfen. Auch die Frage bzgl. Sterbehilfe bei schwerwiegenden psychischen Belastungsstörungen rückt zunehmend in den Wahrnehmungsfokus. Wo bleibt, neben dem gesellschaftlichen Wunsch der Selbstbestimmung, der Zufall? Schliesslich konnten wir auch nicht selbst bestimmen, ob wir geboren werden wollten. Sollen wir selbst bestimmen, wenn wir sterben? Das Leben ist ein Geschenk unserer Eltern und letztendlich Gottes. In christlicher Hinsicht ist jedes Menschenleben unendlich viel wert, die Menschenwürde ist unantastbar und unverlierbar. Sind wir also, wenn wir unheilbar krank, pflegebedürftig oder psychisch schwer belastet sind, schlechter oder lebensunwürdiger als kerngesunde, „selbstbestimmte“ Menschen?

Ich bin ein Verfechter der Selbstbestimmung, aber nicht um jeden Preis. Wie ich mich von der Geburt und vom Leben überraschen lassen durfte, möchte ich mich auch vom Sterben und vom Tod überraschen lassen. Ich möchte den Tod nicht „selbst machen.“

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