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Was bringt uns die Zukunft?

Erstellt von Tobias Günter, reformierter Pfarrer | |   Unsere Zeitung

Ich gebe zu, diese Frage ist ungewöhnlich und angesichts unserer schnelllebigen Zeit auch ziemlich vermessen. Sagt man jeweils so schön beim Smalltalk, man solle sich aufs Hier und Jetzt konzentrieren. Schliesslich könne man nur gegenwärtige Situationen verändern.

Auch habe ich schon oft in Zeitungen gelesen, dass man allerhöchstens noch Zeiträume bis zu 6 Monaten prognostizieren solle. Die Bibel geht sogar noch einen Schritt weiter. So steht im Matthäusevangelium, Kap 6, Vers 34: „Sorgt euch also nicht um morgen; denn der morgige Tag wird für sich selbst sorgen. Jeder Tag hat genug an seiner eigenen Plage.“ Trotz dieser Plädoyers für ein Leben in der Gegenwart prognostizieren wir fleissig. Angesichts dringender, gesellschaftlich zu lösender Probleme scheint es, diesen Prognosen glaubend, um unsere Zukunft nicht gerade zum Besten zu stehen. Wie sieht unsere Altersvorsorge 2030 oder 2040 aus? Was tun wir, wenn sich unser Klima in den nächsten 50 Jahren um 2 oder 3 Grade erwärmt? Wie verändert sich dann das Leben unserer Kinder und Enkelkinder? Was tun wir, damit sich die Schere zwischen Arm und Reich nicht noch weiter öffnet und was bedeuten uns, in einer von Individualismus und Eigenverantwortung immer stärker geprägten Gesellschaft, zukünftig Solidarität und Wohlfahrt?

Sie sehen, ich vermag auf diese riesigen, gesellschaftlich relevanten Fragen keine Antworten zu geben und halte mich auch mit Prognosen zurück. Auch ein Verweisen auf Gottes Liebe, Gnade oder Hoffnung scheint mir da zu kurz zu greifen. Viel eher möchte ich an unser aller Bewusstsein appellieren. Wenn wir uns bewusst machen, dass wir zunehmend aufeinander angewiesen sind, kann eine Art Gesellschafts- oder Weltsolidarität entstehen, die nach Kompromissen sucht. Wenn wir merken, dass wir zusammenstehen müssen, bewahren wir zunehmend einen kühlen Kopf und können und dürfen uns vom Geist Gottes leiten lassen. Wir müssten uns dann nicht mehr bang besinnen, welche namenlosen Unbekannten auf uns zukommen, sondern könnten uns freudig fragen, wie unser Weltmiteinander wohl in ein paar Jahren aussähe. Prognosen wären dann auch unwichtig, weil wir es kaum erwarten könnten und somit keine Zeit zum Analysieren, Grübeln und Nachdenken bliebe. Die Zukunft überrascht uns also dann am ehesten, wenn wir gemeinsam Verantwortung übernehmen, Solidarität beweisen und uns nicht ins zeitaufwändige Grübeln stürzen. Der bekannte Popsänger, Wincent Weiss, beschreibt in seinem Lied „Ich kann es kaum erwarten“ ganz unterschiedliche Szenen, die er freudig auf sich zukommen sieht und auch betont, dass er die Zukunft schon sehen könne. Trotzdem geht es in diesem Lied nicht darum, alles im Griff zu haben und mit positivem Denken allein zu steuern. Vielmehr eröffnet Wincent Weiss mit diesem Lied insofern eine Perspektive für unser aller Leben, als er die Gegenwart geschehen und sich nicht von unsicheren Zukunftsprognosen erdrücken lässt. Er gibt also gewissermassen dem Vertrauen den Vorzug und glaubt daran, dass uns die Zukunft vor allem Freude bereiten wird. Gleichwohl merkt Wincent Weiss, dass er nur vertrauen und denken kann. Mit dem Wort „Vielleicht“, das im Lied mehrere Male vorkommt, deklariert er, dass er das Lenken jemandem Anderen überlässt.

Mögen wir, wie Wincent Weiss, mit Gottes Hilfe, verantwortungsvoll, freudig, selbstbewusst und ohne starre Erwartungshaltungen in die Zukunft gehen!

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