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Von zerfetzten Fahnen und einer sorglosen Schweiz

Erstellt von Text und Bilder: Urs Weisskopf | |   Unsere Zeitung

Nach dem Pandemie-bedingten Aussetzer der Nationalfeier im vergangenen Jahr, trafen heuer über hundert Gäste auf der Hutzlen ein. Endlich raus und zusammen feiern, lautete der allgemeine Wunsch.

Doch zuvor brauchte es viel Fronarbeit von Seiten der der Harmonie, welche die Organisation des Festes übernommen hatte. Der feuchte Untergrund stellte eine besondere Herausforderung dar. Doch das Resultat konnte sich sehen lassen. Ein stattliches Festzelt, Festbänke im Freien, drei Imbissstände und eine Bierzapfstelle. Trotz dieser Herkulesaufgabe hatten die Mitglieder der Harmonie noch genügend Atem, um ein Feuerwerk der Musik zu präsentieren. Zusammenhalt stärken Gemeindepräsident Jean-Philippe Pinto erinnerte in seinen Begrüssungsworten daran, dass im vergangenen Jahr wegen der Pandemie keine Feier stattfinden konnte. Dieses Jahr, mit Schutzkonzept, sei es wichtig, solch einen Nationalfeiertag zusammen feiern zu dürfen, denn dies stärke den Zusammenhalt. In Anspielung auf das garstige Wetter freute sich Pinto über seinen Parteikollegen Philipp Kutter, «Die Mitte», Stadtpräsident der Seegemeinde Wädenswil, die von schweren Unwettern heimgesucht wurde. «Wir hätten keinen kompetenteren Hochwasserspezialisten finden können.» Darauf angesprochen erzählte der Gastredner Kutter über die doch arg in Mitleidenschaft gezogenen Flaggen im Zentrum von Wädenswil, die nach den Stürmen der letzten Wochen kein schönes Bild abgegeben hätten. Bedenklich fand er jedoch die danach erschienenen Beschwerden als Leserbrief und Anrufe an die Gemeinde. «In Deutschland starben wegen der starken Gewitter Menschen», gab Kutter zu bedenken. Die Schweiz sei hingegen offensichtlich sorgenfrei.

Raus aus dem Chat

Auch Hagelschäden, Wasser im Keller oder die Corona-Pandemie könnten meistens gut bewältigt werden. Die Wirtschaftszahlen seien gut, die Arbeitslosigkeit tief, die Corona-Fallzahlen und Hospitalisierungen auch. «Aber wenn man etwas genauer hinschaut, dann haben wir schon Probleme, die grösser sind als ein zerfetzter Steinbock auf einer Bündner Flagge.» Als erstes Problem nannte er die Klimapolitik. Denn auch ihm sei nicht entgangen, dass die Natur sich verändert habe. Zum zweiten Problem: «Die Beziehungen zur EU sind auf dem Tiefpunkt», ermahnte er und betonte, dass jeder zweite Franken im Ausland verdient werde. «Diese Krise hat bereits jetzt Folgen, und zwar für unsere Universitäten und ihre Forscherinnen und Forscher. Sie können an den renommierten europäischen Forschungsprogrammen nicht mehr oder nur noch sehr eingeschränkt teilnehmen. « Als drittes Problem nannte er die Sozialwerke, welche unterfinanziert seien. Eine Sanierung sei aber schwierig, denn der Graben zwischen den Generationen sei schon recht tief. Ein weiteres Problem stellt für den Nationalrat Kutter die Bewältigung der Corona-Pandemie dar. Zum Glück gebe es gute Impfstoffe. Doch die Nebenwirkungen seien heftig, und damit meine er nicht die medizinischen, sondern die gesellschaftlichen. «Um es klar zu sagen: Ich bin fürs Impfen», räumte aber ein, dass Diskussionen darüber Freundschaften zerstören oder die Gesellschaft spalteten. «Warum passiert das zurzeit? Weil wir dünnhäutig geworden sind. Weil wir in der Pandemie auf Distanz gegangen sind. Weil wir uns weniger begegnen oder nur noch via Bildschirm?». Kutters Lösung lautet: «Raus aus dem Chat, rein in die Beiz oder an die Gemeindeversammlung.» Wichtig seien direkte Begegnungen ausserhalb des geschützten Zuhauses, dort, wo man Menschen treffe. «Ich bin überzeugt, wenn wir einander als Menschen begegnen und zuhören, wenn wir Föderalismus und Mitbestimmung hochhalten, wenn wir das richtige Tempo wählen, wenn wir Schritt für Schritt vorgehen, dann werden wir jeden Graben überwinden und jede Krise gut überstehen.» Und dann werde die Schweiz auch in Zukunft sicher sein, wohlhabend und frei.

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