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Von Wüstenzeiten und Oasenmomenten

Erstellt von Judith Schiele, katholische Pfarrei Volketswil | |   Unsere Zeitung

Hand aufs Herz, wann dachten sie zum letzten Mal, den oder die würde ich gerne «in die Wüste schicken». Also mir kam Sprichwort in den vergangenen Wochen öfter in den Sinn.

Jemanden «in die Wüste schicken» meint, jemanden los werden wollen. Mit Wüste verbinden wir Sand soweit das Auge reicht, kein Wasser, Hitze und unbarmherzige Sonne ohne Schatten. Die Wüste ist für uns Menschen ein lebensfeindlicher Ort.

Ich habe mir überlegt, warum möchte ich zurzeit die eine oder andere Person gerne, zumindest für eine Zeit, in die Wüste schicken? Vielleicht ist das so, weil ich mich selbst in einer emotionalen Wüstenzeit befinde. Nachdem Corona alles durcheinandergewirbelt und uns alle vor grosse Herausforderungen gestellt hat, ist der Alltag, der auf die Aufhebung des Lockdowns folgte, nicht minder anstrengend und herausfordernd. Ich fühle mich ausgelaugt, müde, kraftlos und leer. Es fällt mir schwer alle Erwartungen, die Familie und Beruf an mich stellen, zu erfüllen.

Wir alle machen in unserem Leben Erfahrung von «Wüste». Wer hat sich nicht schon einmal überlastet gefühlt? Oder unter einem Streit gelitten? Wen von uns plagen nicht schon einmal Ängste, sei es wegen einer Krankheit oder dem Bangen um die Existenz. «In der Wüste» befinden wir uns immer dann, wenn wir uns allein, hilflos, kraftlos, ohnmächtig und leer fühlen.

Dann brauchen wir dringend «Oasenerfahrungen». Mit «Oase» verbinden wir sattes Grün inmitten von ödem Land; erfrischendes, sprudelndes Wasser, Freude und Erholung. Oasen schenken neue Energie, neues Leben. «Oasen» erleben wir, wenn wir uns in unserer Familie angenommen, anerkannt und geliebt fühlen. «Oase» ist, wenn junge Menschen in der schwierigen Zeit des Erwachsenwerdens Unterstützung erfahren. «Oase» können für fühlen, wenn Kranke und Betagte in ihren Bedürfnissen wahrgenommen werden. «Oase im Leben» meint alle guten Erfahrungen unseres Lebens, die uns zeigen, dass wir geliebt sind. «Oasenerfahrungen», «Oasenmomente» werden uns oft ganz unerwartet geschenkt, und zwar genau dann, wenn wir sie brauchen.

So ging es mir in der vergangenen Woche. Eine Einladung zum Zmittag in einem Garten erwiess sich als wahre «Oase», die mir neue Energie schenkte. Bei Jesaja heisst es: «Den Erschöpften gibt er neue Kraft, und die Schwachen macht er stark.» (Jesaja 40,29) Und genau so ist es. Wir müssen die kleinen und grossen «Oasen», die uns geschenkt werden, nur wahrnehmen und annehmen. Mit neuer Energie und Kraft verfliegt dann auch das Gefühl, jemanden «in die Wüste» schicken zu wollen.

Judith Schiele, Jugendseelsorgerin, katholische Pfarrei Volketswil

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