Anmelden | Registrieren

Umstrittenes Burkaverbot

Erstellt von Gina Schibler, Volketswil | |   Unsere Zeitung

Am 7. März ist Abstimmungstermin, wir stimmen unter anderem über ein Vollverschleierungsverbot ab. Unter normalen Umständen würde die reformierte Kirche bei so einem heissen Thema eine Gesprächsrunde veranstalten. Wegen Corona ist dies nicht möglich. Deshalb in dieser Form einige Argumente und – wie ich meine – christlich begründete Stichworte dazu.

Die Argumente des Nein-Lager lauten: Zu verbieten, eine Burka oder einen Nikab zu tragen, ist verfassungswidrig. Es ist die freie Entscheidung jeder Einzelnen, wie sie sich kleidet. Zudem gibt es nur wenige Dutzend Frauen in der Schweiz, die sich verhüllen, ein Burkaverbot ist unverhältnismässig. Dass junge Frauen unter dem Druck von Männern zum Tragen einer Burka getrieben werden, stimmt nicht. Es ist der selbstbestimmte Entscheid der betroffenen Frauen, mit einer Burka herumzulaufen. Bei jungen Frauen ist manchmal pubertäre Provokation mit im Spiel. "Ich liebe meinen Nikab", schwärmen diese, und erfahren unsere Kultur als sexualisiert. Das Kopftuch, die Burka verbirgt das verführerische Haar der Frauen und minimiert das sexuelle Verlangen und damit Anmache durch Männer.

Gegenargumente: So zu argumentieren beinhaltet eine Sexualisierung von Frauen und Männern zugleich. Sie raubt den Frauen das Gesicht, ihre Schönheit und ihre Individualität. Manche Frauen scheinen in der Tat ein masochistisches Bedürfnis nach demonstrativer Unterwerfung und Angst vor der (von Frauen errungenen) Freiheit zu haben. Doch warum sich verhüllen, anstatt unsere Gesellschaft respektive die Sexualisierung zu verändern?

Aus dem Koran kann kein Verschleierungsgebot herausgelesen werden, so argumentieren allein Extremisten, vor denen sowohl der Islam wie auch die nicht-fundamentalistische Mehrheit der MuslimInnen geschützt werden muss. Burka und Nikab sind keine religiösen, sie sind politische Symbole. Das zu ignorieren ist der Fehler von westlichen Frauenrechtlerinnen, die für ein Recht auf Burka eintreten. Nach islamistischem Familienrecht der Scharia sind Frauen rechtlose Unmündige, abhängig von Vater, Bruder oder Ehemann. Dieses islamische Familienrecht wird darum in allen Ländern, in denen es gilt, von dortigen Frauenrechtlerinnen mutig bekämpft. Es ist das zentrale Problem bei der Entrechtung von Frauen.

Die Burka ist der schärfste Ausdruck von Abgrenzung – und damit ein politisches Signal. In Kurdistan und Idlib sind immer noch Tausende gefangene Islamistinnen inhaftiert, die es schaffen, in diesen Lagern ein radikales Regime von Unterdrückung und Burkazwang aufrecht zu erhalten. Frauen, die keine Burka tragen, sind ihres Lebens nicht sicher. Vor dem Treiben des IS in Syrien wusste man vielleicht noch nicht, wofür die Burka steht. Heute, 2021, wissen wir es. Praktisch alle Staaten, in denen Schleierzwang herrscht, verweigern Frauen elementare Rechte. Ein weiteres Argumente kommt oft viel später: "Es sind ja vor allem Touristinnen, die in der Schweiz Totalverschleierung tragen, diese meiden die Schweiz bei einem Verbot. Reisende aus den Golfstaaten geben jedoch viel Geld aus auf ihren Reisen. Sind Orte wie Interlaken nicht darauf angewiesen?" Ist Angst vor dem Verlust eines Geschäfts des Pudels Kern? Die Klimaerhitzung stellt uns vor die Frage, wie sinnvoll es ist, Reisen aus den Golfregionen (respektive aus der ganzen Welt) in die Schweiz zu fördern. Die damit einhergehende CO2-Überfrachtung macht die Welt wie auch die Schweiz unbewohnbar. Die Bahnen aufs Jungfraujoch müssen ihre Züge anders füllen als mit Frauen unter dem Joch der Burka. Zudem würden fortan nicht nur reiche Familien aus Saudiarabien die Schweiz meiden, sondern andere Reisende die Schweiz entdecken: Näher und nahbarer, jenseits von Stoffvisieren, mit offenem Gesicht und einem Lächeln.

Auch in biblischen Texten ist die Frage, ob Frauen ihr Haar zu verhüllen haben, ein heiss diskutiertes Thema. Gott sei Dank ist die reformierte Antwort dazu klar: Paulus mag ja die Verhüllung propagiert haben (das Weib schweige in der Gemeinde. Sie verhülle ihr Haupt im Gottesdienst.) Aber die Bibel ist nicht fundamentalistisches Gotteswort, sondern historisches Dokument, das hinterfragt und kritisiert werden darf. Christus selber aber hat Frauen nie diskriminiert, sondern im Gegenteil befreit. Sein erster und liebster Jünger war denn auch – eine Frau: Maria Magdalena.

Gina Schibler, reformierte Pfarrerin, Volketswil

Zurück
Die Kommentarfunktion steht nur registrierten und angemeldeten Nutzern zur Verfügung. Zum Login.

Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!