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Petrus hat was auf den Ohren

Erstellt von Sabine Mäurer, reformierte Pfarrerin | |   Unsere Zeitung

Ein Bild wie aus uralten Zeiten – Ein Landmann, der ruhig über seinen Acker geht und sät. Längst machen das heute Maschinen und alles muss schnell wachsen zur Ernte. Aber mit dem Wachsen ist das so eine Sache: Heute kann vieles gesteuert, auch manipuliert werden – aber, dass die Saat aufgeht, bleibt immer noch eine spannende Geschichte und es gibt dafür auch heute noch keine Garantie.

Jesus erzählt das Gleichnis vom Landmann: Der Landmann ging aus, seinen Samen zu säen. Und beim Säen fiel etliches auf den Weg und wurde zertreten, und die Vögel des Himmels frassen es auf. Anderes fiel auf Fels, ging auf und verdorrte, weil es keine Feuchtigkeit hatte. Anderes fiel mitten unter die Dornen, und mit ihm wuchsen die Dornen und erstickten es. Wieder anderes fiel auf guten Boden, ging auf und brachte hundertfach Frucht. Als er dies gesagt hatte, rief er: Wer Ohren hat zu hören, der höre! Seine Jünger aber fragten ihn, was dieses Gleichnis bedeute. Er sprach: Euch ist es gegeben, die Geheimnisse des Reiches Gottes zu verstehen, zu den anderen aber wird in Gleichnissen geredet, damit sie sehend nicht sehen und hörend nicht verstehen. (Zürcher Bibel, Lk8, 4-11)

Ich stelle mir die Szenen immer gerne plastisch vor: Wie war das damals, als Jesus in den Synagogen lehrte. Wie er durchs Land zog, Freunde und Unterstützerinnen im Schlepptau, ihnen Geschichten erzählte und Lehrstunden erteilte. Nichts mit Laptop, PowerPoint, Arbeitsblättern oder Mitschnitt auf Tonband. Wer etwas mitbekommen und vor allem behalten wollte, der musste gut zuhören. Damals sind Dinge immer und immer wieder erzählt worden, bis man sie auswendig wusste. Darin hatten die Menschen bessere Übung als wir heute, behaupten zumindest Experten. Und sie waren auch nicht unablässig mit Höreindrücken aller Art konfrontiert, so wie wir heute. Im Bus, im Tram, beim Einkaufen … entweder haben oder wir bekommen fast überall "etwas auf die Ohren." 

Wie gesagt, ich stelle es mir gerne plastisch vor: Petrus mit I-Pod und Ohrhörern, Jesus beginnt zu erzählen: "Ein Landmann ging aus, seinen Samen zu säen…" Und Petrus bekommt nichts mit und fragt zurück: "Was iss?" Das Gleichnis des Landmannes: Der sät und weiß genau, dass ein guter Teil des Samens nicht aufgehen wird. Nur der Teil, der auf guten Boden fällt und sich entwickeln kann, bringt Frucht. Und weil die Jünger mal wieder nicht kapieren, was ihnen Jesus damit sagen will, erklärt er das Ganze noch einmal. Um den Glauben geht es, um die Botschaft vom Reich Gottes, das sie verkünden sollen. Und dass es bei aller Anstrengung keine Erfolgsgarantie gibt, dass diese Botschaft bei den Menschen ankommt. Jesus schliesst die Geschichte mit einer Redewendung ab: "Wer Ohren hat zu hören, der höre!" 

Heute würde man vielleicht sagen: "Schreibt ’s euch hinter die Ohren!“ Liebe Leserin, lieber Leser – was / wie hören Sie gerade? Und mit welchem Ohr ? Ich meine jetzt nicht linkes oder rechtes Ohr – eher: Wie haben Sie dieses "Wer Ohren hat, der höre!" verstanden? Zumeist hören wir genau, was uns mitgeteilt wird, aber wir nehmen und deuten die Botschaft unterschiedlich. "Die Botschaft hör´ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube", lässt Goethe seinen Faust sagen. "Du hörst mir wieder einmal nicht richtig zu" – ein Satz, der so oder ähnlich in allen Partnerschaften einmal seinen Platz findet. Und gemeint ist damit (zumeist) nicht, dass das Gegenüber schwerhörig ist - sondern dass der / die Sprecher/in sich unverstanden, überhört, sich nicht ausreichend beachtet fühlt oder zu wenig Aufmerksamkeit erhält.

Mit dem Hören, einer fruchtbaren Zeit für das Hören, ist das so eine Sache. Viele Missverständnisse gründen darin, dass wir uns gern taub stellen, nicht zuhören wollen. Worte, die nicht auf einen guten Boden fallen, kein Verständnis finden oder sogar missverstanden werden. Die Wirkung einer Rückweisung ist dornig, oft verletzend. «Ich kann es nicht mehr hören!» Wir sind überfordert, verärgert, dass wir unsere «comfort zone» verlassen sollen. Lieber also den Kopf in den Sand stecken (Übrigens: auch unfruchtbarer Boden?)

Aber nur weil wir es nicht hören wollen, lösen sich Fragen oder Konflikte nicht von allein. «Unerhört» führen sie ihr Eigenleben weiter, verdichten sich zu dornigem Gestrüpp. Dann wird es mühsam, Worte und Hören wieder zu entwirren, fruchtbaren Boden wieder gemeinsam zu bewirtschaften. Hören braucht Zeit und persönliche Reife: Hören hat seine Zeit. Wir hören und wir ignorieren Worte. Wir hören unter anderen Umständen dieselben Worte erneut und finden Resonanz und – wir wissen nicht warum und wann - dringt das Gehörte zu uns vor: Reif, gehört zu werden. Die Zeit ist reif, wir sind reif, zu verstehen, zu hören. Wir nehmen das Wort, die Empfehlung, den Hinweis in und mit unserem Herzen auf.

Zuhören, aktives Zuhören zu erlernen ist schwer. Haben Sie also Geduld. Bleiben Sie Ihrem Entwurf treu, säen Sie fokussiert weiter aus, was Sie zu Gehör bringen wollen. Lassen Sie sich nicht irritieren, nicht ablenken von allerlei Hintergrundgeräuschen, Stimmen und Gerede. Und denken Sie an den Landmann: Es gibt keine Garantie. Der Erfolg ist ein schutzbedürftiges, anfälliges Pflänzchen und lässt möglicherweise auf sich warten. Ob die Saat aufgeht, liegt nicht allein in der Hand des Landmanns. Das können wir uns getrost hinter die Ohren schreiben. Das haben die Jünger an sich selbst erfahren und wohl auch beherzigt, sie haben die Botschaft Jesu immer und immer wieder erzählt. Sie stossen auf taube und auf offene Ohren, bei den einen geht’s rechts rein und links raus, «Wassen – Göschenen», heisst es hierzulande. Bei anderen pflanzt sich die gute Botschaft vom Vater im Himmel in Kopf und Herz ein. Und diese Pflanze wächst und will und wird sich weiter ausbreiten. Und so erzählen bis heute Menschen das Evangelium weiter.

Sabine Mäurer, reformierte Pfarrerin

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