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Heute vor 100 Jahren hob der erste Post-Flieger von Dübendorf ab

Erstellt von Urs Brütsch, Flugplatz Dübendorf | |   News

Vor einem Jahrhundert zwang Elend die Menschen zum Aufbruch. Der zerstörerische Erste Weltkrieg, die tödliche Welle der Spanischen Grippe und die in einem Landesstreik mündenden Arbeiterunruhen hatten die Lebensbedingungen Anfang der 1920er-Jahre drastisch verschlechtert. Die leidvollen Jahre weckten in den Schweizern die Sehnsucht nach Perspektiven und nachhaltigen Wohlstand. Neue Horizonte eröffnete ihnen damals die Luftfahrt. Heute Dienstag, 8. Januar sind es exakt 100 Jahre her, dass zum ersten Mal ein ausgedientes Militärflugzeug Post von Dübendorf nach Bern und etwas später weiter bis nach Lausanne beförderte.

Zwar spielte die Aviatik während des ersten Weltkrieges noch keine entscheidende Rolle. Gleichwohl zollte die Öffentlichkeit den tollkühnen Männern mit ihren fliegenden Kisten weitum grossen Respekt. Sie waren eine regelrechte Attraktion – wo auch immer sie auftauchten. Doch die bewunderten Flugpioniere wie Walter Mittelholzer, Alfred Comte oder Oscar Bider mussten sich am Ende des ersten Weltkrieges neu orientieren. Aber auch die Schweiz als Nation, Mitten im gebeutelten Europa, war gefordert. Es galt die Chancen, die sich ihr eröffneten zu nutzen. Die neu erschlossene, dritte Dimension verschob urplötzlich die Grenzen des Binnenlandes. Und just in dieser Zeit suchten die von der Armee geförderten und geschulten Piloten mit ihren Fluggeräten neue und sinnstiftende Aufgaben. Aus dieser Not machten sie eine Tugend: Exakt 100 Jahre sind es her, als am 8. Januar 1919 zum ersten Mal ein ausgedientes Militärflugzeug Post von Dübendorf nach Bern und etwas später weiter bis nach Lausanne beförderte. Kurz darauf nahmen die Piloten auch die ersten Passagiere mit. Ein Meilenstein in der Schweizer Geschichte, der nicht nur die Geburtsstunde des regelmässigen Luftverkehrs in der Schweiz markierte, sondern einen tiefgreifenden Wandel der Mobilität sowie der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung darstellte.

Lufthansa erhielt Zulassung

Die in Zürich gegründete Aero-Gesellschaft Comte Mittelholzer & Co. und die später entstandene Ad Astra Aero AG (aus der die Swissair hervorging), reihten sich nahtlos in die Marksteine der internationalen Luftfahrt ein. So wurde beispielsweise in Deutschland zufälligerweise ebenfalls am 8. Januar 1919 der Deutschen Luft-Reederei (Vorläuferin der Deutschen Lufthansa) die Zulassung für Passagierflüge erteilt und in den Niederlanden im selben Jahr die älteste noch existierende Fluggesellschaft der Welt gegründet – die Königliche Luftfahrtsgesellschaft KLM. Das Jahr 1919 verkörperte die bedeutendste Zäsur in der Entwicklung der Mobilität der Allgemeinheit. Denn der Transport von Menschen und Waren auf dem Luftweg symbolisierte eine ganz neue Dimension. Das Verhältnis zu Raum und Zeit veränderten sich in gleicher Weise wie die Ansprüche und Perspektiven der Gesellschaft. Der aus dem Nachkriegselend geborene Pioniergeist sowie die Aufbruchstimmung bilden den fruchtbarsten Nährboden für Innovationen. Weltweit forschten und konstruierten Ingenieure neue für den zivilen Einsatz geeignete Flugzeuge. Mit der Junkers F13 entwickelten die Ingenieure von Hugo Junker in ihren Flugzeugwerken in Dessau ebenfalls im Jahre 1919 einen vollständig aus Metall hergestellten, einmotorigen Tiefdecker. Diese ausschliesslich als ziviles Verkehrs- und Frachtflugzeug vorgesehene Maschine bot vier Passagieren Platz. Die Entwicklung der Luftfahrt nahm weltweit ihren Lauf. In diesem Pioniergeist, dem Mut und der Zuversicht unserer Vorfahren wurzelt das Wohlbefinden der heutigen Gesellschaft. Es gilt nun diesem Fundament Sorge zu tragen, den Pioniergeist unaufhörlich neu zu beleben – auch wenn keine Kriegsfolgen und Wirtschaftskrise der Allgemeinheit diese Tugend abverlangt. Denn ein fehlender Leidensdruck und eine gesättigte Gesellschaft nähren eine grassierende Lethargie, die ihren Tribut fordern wird.

Heute schon an Morgen denken

Die Erschliessung der Luftwege ist untrennbar mit der wirtschaftlichen Entwicklung sowie dem Verständnis für andere Kulturen verbunden und für die Schweiz als Binnenland von elementarer Bedeutung. Der Wohlstand der rohstoffarmen Dienstleisternation gründet auf einer innovationsstarken, breit diversifizierten und hochwertig spezialisierten Wirtschaft. Diese ist aufgrund des kleinen Binnenmarktes auf Exportmärkte ausgerichtet. Nur fehlt es in der Schweiz an Raumreserven für einen nachfragegerechten Ausbau der Verkehrsinfrastrukturen. Insbesondere die Flugplätze befinden sich seit Jahrzehnten im Würgegriff einer rückblickend fragwürdigen Siedlungsentwicklung. So gilt es nun – ganz nach dem Vorbild der ersten Luftfahrtpioniere – aus dieser Not eine Tugend zu machen: Mit der Dreifachnutzung des Flugplatzareals in Dübendorf bieten sich einzigartige Chancen, den wirtschaftlichen Erfolg und die Wachstumschancen der Schweiz nachhaltig zu stärken sowie den Lebensstandard zu sichern. Diese Absicht hat der Bund wiederholt erklärt und gleichzeitig die Bedeutung der Luftfahrt unterstrichen. Er ist nun gefordert, den nötigen Raum dafür zu erhalten. Ein Glück, zwingt heute kein Elend die Gesellschaft zum Aufbruch. Doch die nachfolgenden Generationen haben es verdient auf Perspektiven sowie Chancen hoffen zu dürfen, in dem sie neue Horizonte entdecken.

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