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Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser

Erstellt von Tobias Günter, reformierter Pfarrer | |   Unsere Zeitung

Wir haben nicht nochmals 30 Milliarden. Ich bin kein Experte um beurteilen zu können, wie viele finanzielle Mittel wir zur Bekämpfung dieser Pandemie noch aufwenden können oder sollen. Ich merke aber, dass sehr Viele von uns gerade jetzt besonders den Virologen und den Angestellten unserer Behörden vertrauen. Warum eigentlich?

Höchstwahrscheinlich deshalb, weil den beiden Gruppen im Umgang mit dieser Pandemie eine entscheidende Schlüsselfunktion zukommt, die erhebliche Auswirkungen auf unser momentanes Leben hat. Ich bezeichne «Vertrauen» als Schmiermittel der Gesellschaft. Wenn wir am Fussgängerstreifen bei Grün laufen, vertrauen wir darauf, dass uns Niemand anfährt. Alles, was wir lernen, beruht, insbesondere in der Primarschule, auf Vertrauen gegenüber der Lehrperson. Oder, wenn wir uns in der Zeitung, im Fernsehen oder bei Behörden über unsere Rechte und Pflichten informieren, vertrauen wir darauf, dass seriös recherchiert wurde und dass unsere Behörden redlich arbeiten. Eigentlich wunderbar.

Vertrauen ist ein lebenswichtiger Instinkt; kleine Kinder, die weder sprechen noch lernen können, vertrauen zuallererst ihren Eltern und anderen engen Bezugspersonen. Vertrauen ist daher ein unbeschreiblich hohes und wertvolles Gut. Gerade weil es so wertvoll ist, ist es auch zerbrechlich. Wir können das Vertrauen anderer Menschen auch missbrauchen. Gerade wenn Kritik fällt, die Fronten verhärtet sind, geht’s, im Kern, immer darum, wieder aufeinander zuzugehen, das verlorene Vertrauen wiederherzustellen. Ohne Vertrauen ist also kein menschliches Leben, kein «In-Beziehung-Treten» möglich.

Viele Belege dieses Vertrauens finden wir auch in der Bibel. Abraham, der Urvater Israels, vertraute Gott so sehr, dass er selbst seinen einzigen Sohn, Isaak, zu opfern bereit war (Gen. 22). Die jetzige Adventszeit ist für Christ/innen der Inbegriff des Vertrauens. Wir vertrauen auf Gott, welcher jedes Jahr seinen Sohn, unseren Erlöser, Jesus Christus auf die Welt schickt und somit zum Rechten schaut. Wie wir auf Gott vertrauen, vertraut auch Gott uns Menschen. Gerade weil er uns zuerst bedingungslos geliebt und grenzenlos vertraut hat, überlässt er uns die Welt (Gen. 1,28ff.) und ist uns, besonders an Weihnachten, mit der Geburt seines Sohnes greifbar nah. Hätte Gott den Menschen nicht vertraut, hätte er wohl kaum seinen Sohn, Jesus Christus, als Mensch auf die Welt geschickt. Und, darauf basierend, begründet sich für mich das christliche Lebensethos.

Versuchen wir, ob als Christen oder Staatsbürger, unseren Vertrauensschatz zu pflegen, dadurch die Gesellschaft zusammenzukitten und, überraschend und unverhofft, freudvolle Prozesse in Gang zu bringen. Denn, Vertrauen ist, als menschlicher Instinkt, seit jeher vorhanden und kann «nur» verschüttet, nie aber verlernt werden. Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag.

Tobias Günter, reformierter Pfarrer

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