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Kirche und Staat

Erstellt von Roland Portmann, reformierter Pfarrer | |   Unsere Zeitung

Mit der Reformation in Zürich übernahm ab 1523 der Staat, das heisst konkret der Stadtrat das Kirchenwesen im Kanton: Er entmachtete und enteignete so die römisch-katholische Kirche und somit den Papststaat in Rom: Klöster wurden aufgehoben und ihre Ländereien gingen an den Staat über. Nonnen wurden teilweise sogar zwangsverheiratet. Auch Volketswil soll bis damals zum grössten Teil Klosterland gewesen sein.

Der Staat übernahm nun die Ausbildung, Anstellung und Besoldung der Geistlichen, sprich der Pfarrerschaft. Das ehemalige Priestertum wurde so zum Beamtentum. Vertrat man in der Kirche bis anhin die Dogmen und die Politik der Kurie in Rom, wurde nun unter anderem die Moral des Bürgertums von den Kanzeln gepredigt: Auch der neuen Obrigkeit sollte von Gottesgnaden Gehorsam gezollt werden. Die Botschaft des Evangeliums blieb so eigentlich weiter unfrei und wurde vereinnahmt. Übernimmt der Staat die Kirche, so wird sie zu dessen Spielball und zum Machtinstrument zur Disziplinierung ihrer Bürgerinnen und Bürger. Die befreiende und gegenüber weltlichen Mächten kritische Botschaft des Evangeliums wird so kanalisiert und weitgehend neutralisiert. Heute ist das in Zürich – Gott sei Dank – nicht mehr so: Kirche und Staat stehen in einem partnerschaftlichen Miteinander zueinander. Die Verkündigung des Evangeliums der Schwachen und Armen von Jesus Christus darf frei stattfinden, auch wenn die darin enthaltene Kritik an unserem Gesellschaftssystem rechtspopulistischen Kreisen nicht immer gefällt. Die Kirche übernimmt wichtige Aufgaben und Funktionen, die der Staat nicht leisten kann: Sie vertritt unser christliches Erbe und leistet so eine wichtige Kulturarbeit. Sie setzt sich diakonisch für die Schwächsten der Gesellschaft ein, da wo der Staat an seine Grenzen stösst. Sie ist «vor Ort» bei und für die Menschen da und begleitet sie in schwierigen Lebenssituationen. Sie leistet mit einem Heer von Freiwilligen einen wichtigen Beitrag für die Gemeinschaft. All das würde dem Staat ohne die Kirche fehlen. Und umgekehrt: Was würde der Kirche ohne den Staat fehlen? Die Landeskirche geniesst ihrer Geschichte wegen diverse Privilegien und erhält wegen der von ihr geleisteten Dienste Staatsbeiträge. Sicher, das Einziehen der Kirchensteuern durch den Staat hat einen finanziellen Vorteil ¬– aber Geld allein macht Kirche eben nicht aus. Die Kirche, eine Gemeinschaft die Jesus als dem Christus nachfolgt, hat es seit 2000 Jahren immer gegeben und wird es auch in Zukunft geben, mit oder ohne Staat. Wie aber steht es um das so genannte prophetische Wächteramt der Kirche, das heisst auf den Auftrag der Kirche, auf Missstände in Politik und Gesellschaft hinzuweisen? Eine kürzlich in «reformiert.» veröffentlichte Umfrage hat ergeben, dass die Präsidentinnen und Präsidenten der sechs grössten politischen Parteien der Schweiz es mehrheitlich schätzen, wenn die Kirche sich politisch äussert- solange es in das eigene politische Konzept passt und nicht gegen die Parteiinteressen steht, interpretiert die Redaktion von «reformiert.» die Aussagen der Parteipräsidentinnen und Präsidenten… also doch lieber eine mundtote und unkritische Kirche? Das Verhältnis von Staat und Kirche, die Frage nach der Politik im Christentum und christlicher Politik: diesen Themen widmen wir uns in der reformierten Kirche in der nächsten Zeit intensiv mit zwei Veranstaltungen: Am Bettag, dem 15. September, predigt Gemeinderat Michael de Vita-Läubli in der reformierten Kirche zum Thema der gemeinsamen Verantwortung und am Dienstag, dem 24. September, findet eine Gesprächsarena in der reformierten Kirche statt, wo prominente Vertreter von Kirche und Politik diesen Themenkreis miteinander diskutieren werden. 

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