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Januarloch oder Januarschwung?

Erstellt von Tobias Günter, reformierter Pfarrer | |   Unsere Zeitung

Wir stehen im letzten Drittel des Januars. Ganz ehrlich, der Januar ist nicht grad mein Lieblingsmonat. Viel Nebel, kurze Tage und auch bezüglich Festivitäten und Feiertagen bietet der Januar, im Vergleich zum Dezember, sehr wenig. Auch spricht man, angesichts finanzieller Engpässe in diesem Monat, häufig auch vom Januarloch.

Und doch werden wir auch jetzt beschenkt. «Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist» (Luk. 6,36). Diesen Satz spricht uns Jesus in der neuen Jahreslosung zu und fängt dort wieder an, wo er an Weihnachten, mit seiner Geburt, aufgehört hat. Genau diese Barmherzigkeit, wie sie Gott uns vorlebt, sollen auch wir Menschen aneinander tun. Dies kann bedeuten, dass wir unverhofft etwas wagen.

Schliesslich ist Barmherzigkeit mehr als Faktenabwägung und Gesetzlichkeit. Der Schweizer Pfarrer und Schriftsteller Kurt Marti (1921 – 2017) hat, wie ich finde, sehr treffend gesagt: «Wo kämen wir hin, wenn alle sagten, wo kämen wir hin, und keiner ginge, um zu sehen, wohin wir kämen, wenn wir gingen.» Barmherzigkeit ist also, neben dem Schenken, immer auch das göttliche Mehr, das unvorhergesehene Wagnis auf Vertrauen hin, wo das Vertrauen verlorenzugehen droht. «Denn auf Hoffnung hin sind wir gerettet. Eine Hoffnung aber, die man sieht, ist keine Hoffnung.» (Röm. 8,24). Natürlich wäre es zu viel verlangt, würde ich Sie, mit Worten der kühnen Barmherzigkeit und Hoffnung im Gepäck, zu Freudensprüngen animieren. Dennoch möchte ich Sie ermutigen, sich beispielsweise an den schwungvollen Silvestertanz zu erinnern. Auch lehrt uns meistens die eigene Lebenserfahrung, dass es in vielerlei Hinsicht unterschiedliche Phasen braucht und dass Krisen plötzlich, ganz überraschend, Neuanfänge stiften können.

Wie das alttestamentliche Buch Kohelet nüchtern feststellt, dass es für alle Dinge eine Zeit gäbe, besingt die bekannte Schweizer Schlagersängerin Monique im Lied «Einmal so, einmal so», dass Licht nicht ohne Schatten existiere. Auch wisse man erst, so Monique weiter, wie gut die Wärme tue, wenn man sich in der Kälte nach ihr sehne. Ein Grund zur Hoffnung oder zur Freude, zumindest für mich persönlich, ist auch das allmähliche Länger-Werden der Tage. Wie der Frühling die Natur alle Jahre wieder zum Blühen bringt, sollen auch wir Menschen, mit Gottes Hilfe, unseren Begabungen und Möglichkeiten entsprechend, Frucht bringen und – im Lichte des barmherzig-beherzten Tuns – schrittweise getrost aufblühen. Dies können wir aber nur ohne Furcht. Der im Johannesevangelium überlieferte Aufruf «Seid getrost» (Joh. 16,33b) zeigt, dass der heutzutage oft kritisch beäugte Trost kein Vertrösten und kein Banalisieren der Angst sein muss. Im Gegenteil. Trost im Sinne Jesu ist ein Beziehungsgeschehen, welches die zutiefst angstvolle Situation der Angesprochenen ernst nimmt und ihnen einen Weg mit neuer Perspektive eröffnet. «In der Welt habt ihr Angst» (Joh. 16,33a). Jesus könnte diesen Satz auch heute sagen, und er würde wohl nicht wenig Zustimmung finden.

Das Leben in der Welt ist zu allen Zeiten herausgefordert und gefährdet. Die gegenwärtige Pandemiesituation führt es uns überdeutlich vor Augen. Angst ist eine Reaktion auf das, was unabsehbar ist, was unserer Macht entzogen ist und uns damit das Gefühl gibt, ohnmächtig und ausgeliefert zu sein. Unsere menschliche Perspektive ist, dass wir nicht ohnmächtig und ausgeliefert zurückbleiben. Obwohl wir Alle «in der Welt» sind, bleiben wir, dank Jesus Christi Erlösung, nicht «von der Welt.» Unsere menschliche Endlichkeit wird, nach unserem weltlichen Sterben, ins ewige Leben übergehen. Ist das nicht eine wahrlich tröstliche Perspektive? Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag und noch schwungvoll-ermutigende Januartage.

Tobias Günter, reformierter Pfarrer

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