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Einsames Kommen und Gehen

Erstellt von Veronika Mensching, katholische Pfarrei Volketswil | |   Unsere Zeitung

Aus der Zeitung erfuhr ich von einer Lyriklesung für einsam Verstorbene. Auf Initiative einer Gruppe rund um Melanie Katz, Autorin, Lyrikerin und Soziologin, wurde das Projekt «Das einsame Begräbnis» ins Leben gerufen. Dichter verfassen ein persönliches Gedicht für einsam verstorbene Menschen, um an deren Begräbnis dieses vorzulesen. Das fand bei «Zürich liest» im Friedhof Forum statt. Über die Anzahl nicht abgeholter Urnen gibt es keine Statistik. Nicht abgeholte Särge gibt es nicht.

In einem Beitrag am Fernsehen wurde berichtet, dass in einem Münchner Friedhof am Perlacher Forst auf Initiative der Erzdiözese und des katholischen Männerfürsorgevereins mit Unterstützung der Landeshauptstadt ein konfessionsunabhängiges Gräberfeld für Obdachlose durch den deutschen römisch-katholischen Geistlichen und Weihbischof eingeweiht wurde. In diesem Bericht wurden Wohnungslose nach ihren Meinungen befragt. Keiner würde dieses Angebot gebrauchen wollen. Sie nehmen in Kauf, dass sie auf irgendeinem der 26 Friedhöfe in München beigesetzt werden und in Vergessenheit geraten. In einer anderen Fernsehsendung sah ich einen Bericht über ein Friedhofs­café. Verbindung von Freud und Leid, gemeinsames Essen und Trinken hält Leib und Seele beisammen. Das Regensburger Friedhofscafé heisst Café Vielfalt. Ein inklusives Begegnungscafé. Dort arbeiten Menschen mit Handicap.

Unlängst las ich in der Zeitung meiner Wohngemeinde, dass seit der Einführung des ersten Schweizer Baby-Fensters 2001 in Einsiedeln SZ bis heute der 28. Säugling, ein neugeborenes Mädchen, abgegeben wurde. Der Anfang von Leben ist Begegnung. Das Ende auch? Sind wir Teil von Gemeinschaften, oder leben wir in Gemeinschaft? Friedhöfe sind Begegnungsstätten. Für Angehörige, Hinterbliebene und Verstorbene. Baby-Fenster sind einsame Orte. Die gesellschaftlich geregelten Punkte in unserem Leben sind Übergänge: wenn wir kommen und wenn wir gehen. Sei das durch die Einwohnergemeinde und durch eine Glaubens-, zum Beispiel Kirchgemeinde. Darum ist die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde im Bezirk Meilen für das Mädchen, das ins Baby-Fenster vom Spital Zollikerberg gelegt wurde, zuständig. Unser Gemeindepräsident ist sein Namensgeber. Wie das Neugeborene heisst, bleibt ein Geheimnis. Dessen Identität soll geheim bleiben, falls sich die Mutter oder der Vater melden. Schulbildung wurde bei uns als obligatorisch erklärt. Menschen-, Liebes- und Sinnesbildung (noch) nicht. Ein Recht auf Arbeit oder Beschäftigung gibt es nicht. Dafür eine Pflicht, keine Probleme zu haben, keine Schulden zu machen und dem Staat nicht auf der Tasche zu liegen. Die Wahl- und Stimmbeteiligung wird nur von wenigen genutzt. Gläubig zu leben, Mitgefühl zu haben und es zu kultivieren oder an das Gute zu glauben, ist freiwillig. Mensch werden ist eine Kür. 

Veronika Mensching, Sozialarbeiterin FH, katholische Pfarrei 

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