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Der Roboter als Freund und Helfer

Erstellt von Alexander Vitolic | |   Unsere Zeitung

Am traditionellen Business-Lunch des Industrievereins Volketswil gab Hocoma-CEO Gery Colombo spannende Einblicke in das Thema der robotikgestützten motorischen Rehabilitation.

Roboter, die Patienten therapieren – dass die Idee am Anfang der Erfolgsgeschichte seines heute marktführenden Unternehmens vor 20 Jahren ziemlich crazy gewesen sei, eröffnet Gery Colombo den rund 40 Zuhörerinnen und Zuhörern im Parkhotel Wallberg gleich vorab. Dazu erinnert der frühere Präsident des Industrievereins (zweifellos einer der Höhepunkte in der beruflichen Karriere des 53-Jährigen, wie Vorstandsmitglied Daniel Kurz scherzhaft anmerkt) an den Stand der Technik vor 20 Jahren. Roboter, die zur Zusammensetzung und Fertigung von Maschinen verwendet wurden, erforderten damals einen Mindestabstand von mehreren Metern und wurden nur in abgeschlossenen Räumen betrieben.

Gery Colombo, Elektroingenieur und Medizintechniker, glaubte hingegen, dass diese Maschinen Menschen mit einer Verletzung oder Schädigung im Rückenmark dabei unterstützen können, wieder laufen zu lernen.

Repetitive Arbeiten Maschinen überlassen

Der Gedanke kam ihm bei seiner Arbeit am Zentrum Balgrist, als er Betroffenen im Rahmen einer Laufbandtherapie die Beine buchstäblich von Hand führte. Diese repetitive handwerkliche Arbeit erachtete der Student schon damals nicht als Kernaufgabe und -kompetenz des Therapeuten.

Und so festigte sich die Idee, dass Maschinen oder eben Roboter diese Tätigkeit, man spricht auch von Aktivierung, in diesem Gebiet übernehmen könnten. Als ausschlaggebend für einen Therapieerfolg erweist sich eben nicht nur die Übung an sich, sondern auch die Kadenz und die Anzahl der Wiederholungen. Und dort haben unermüdliche Roboter menschlichen Therapeuten uns selbsterklärend etwas voraus. So entstand der erste Laufbandroboter namens Locomat.

Dort einsetzen, wo die Schulmedizin kapituliert

Der andere Grund, der Gery Colombo und seine Gründerkollegen Peter Hostettler und Matthias Jörg dazu bewog, Zeit und Geld in den Aufbau der Hocoma AG zu investieren, war auch sozialer Natur: Zu den ersten Klienten der Rehabilitationsrobotik gehörten schliesslich Patienten, die von der Schulmedizin als «austherapiert» eingestuft wurden. «Ich möchte diesen Menschen helfen, wieder auf die Beine zu kommen», erklärt Colombo. Und er führt dabei das Beispiel eines jungen Mädchens an, das dank einer roboterunterstützten Bewegungstherapie das Laufen wieder erlernte, nachdem Ärzte ihm ein Leben im Rollstuhl in Aussicht gestellt hatten. Es sind diese Erfolgsstorys, die der Strahlkraft des Unternehmens letztlich dazu verhalfen, sich in einer Branche zu etablieren, die sie selber begründete: Aber natürlich endet nicht jede Geschichte mit einem Happyend.

Was den Erfolg des heutigen Marktführers Hocoma mit Sitz in Volketswil auszeichnet, ist der Wille, sich ständig weiterzuentwickeln: «Wir wollten keine Single Product Company sein», sagt Gery Colombo während des Referats. Und so gesellten sich im Laufe der Zeit neben immer noch sehr futuristisch anmutenden mobilen Gehbrücken auch Geräte zur Rehabilitation von Arm- und Handmuskulatur zum Produkteportfolio, die sich auch in einem Science-Fiction-Film gut machen würden. Dass man seine Ideen in den Anfängen als verrückt abtat, hat der Elektroingenieur der ETH nicht vergessen. Die Finanzierung musste er in Amerika sicherstellen.

Heute gebe es einen Lehrstuhl für Rehabilitation Engineering, und kaum ein Land könne auf diesem Gebiet so viel Erfahrung und Know-how vorweisen wie die Schweiz. Heute sei die Zusammenarbeit mit der ETH sehr intensiv. Weltweit sagen diverse Prognosen der Branche ein Wachstum von jährlich bis zu 30 Prozent voraus.

Innovation ja, aber wenig Risikobereitschaft

Was Innovation angeht, windet der CEO der Schweiz ein Kränzchen: Start-ups würden gefördert, Netzwerke ausgebaut, und auch der Nationalfonds investiere in spannende Projekte. Was fehle, seien eine gewisse Risikobereitschaft und eine Nachhaltigkeit im Denken, die es ermöglichten, aus einem Start-up ein mittleres Unternehmen zu machen.

Eine weitere kritische Anmerkung gilt dem Gesundheitswesen: In der Schweiz vergüteten Versicherungen Therapien in Rehabilitationszentren mit einer Tagespauschale, die in der Höhe nicht direkt an den Therapiefortschritt geknüpft ist. Es sei deshalb dringend notwendig, mehr Anreize zu schaffen, dass Patienten eine Klinik nicht nur einfach möglichst bald, sondern in erster Linie gesund verlassen, ist Gery Colombo überzeugt.

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