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«Der Erfolg liegt in der Prävention»

Erstellt von Toni Spitale | |   News

Im Interview mit den «VoNa» äussert sich Michel Fässler, Präsident der vor zweieinhalb Jahren gegründeten Cleanwalkers, zur aktuellen Littering-Situation in Volketswil, zu deren Ursachen und zu möglichen Lösungsansätzen für eine Verbesserung.

 

Herr Fässler, vor Ostern zogen Sie mit Freiwilligen wieder durch die Gemeinde, um Abfälle einzusammeln. Wie sieht die Bilanz aus?

Trotz erschwerter Bedingungen durch die Covid-19-Situation haben über 50 Freiwillige an den Cleanwalking-Sessions teilgenommen, dies von drei verschieden Ausgangsorten aus. Abertausende von Littering-Gegenständen sind dabei wieder aus dem öffentlichen Raum und der Natur entfernt worden. Mit diesen über 50 Freiwilligen wurden zirka 120 Arbeitsstunden abgedeckt. Umgerechnet heisst das, dass ein einzelner Gemeindearbeiter dafür drei Wochen lang nichts anderes machen müsste, als Abfall aufzulesen, um auf das gleiche Resultat zu kommen.

Hat sich das Littering-Problem aus Ihrer Sicht – im Vergleich zu früheren Touren der Cleanwalkers – verbessert oder verschlimmert?

Es wäre zu schön, könnten wir von einer Verbesserung berichten. Dies ist aber ganz klar nicht der Fall. Durch die Corona-Situation und der Tatsache, dass die Restaurants und andere Lokale geschlossen sind, verlagert sich vieles nach draussen und der Konsum von Fastfood steigert sich, was bedeutet, dass es vermehrt zu Littering kommt.

Wo liegen die «Hotspots»?

Was soll man dazu sagen. Die Liste ist viel zu lang, um alle aufzuzählen. Es sind grundsätzliche Orte, wo sich niemand verantwortlich dafür fühlt. Zum Beispiel Parkplätze, die für ­etwelche Aktivitäten und Konsumationen missbraucht werden. Überall da, wo sich Partyvolk aufhält. Ganz schlimm sind auch alle Hauptstrassen und Autobahnein- und -ausfahrten. Viele schmeissen ihren Fastfood-Abfall nach dem Verzehr der «Speisen» skrupellos aus dem fahrenden Fahrzeug. Eine Unsitte mit steigender Tendenz. Aber auch viele Schulwege schneiden nicht gut ab.

 

 

Worin, glauben Sie, liegt die Ursache von zunehmendem Littering?

Die Ursachen wie auch die Auswirkungen sind vielfältig. Hätten wir eine einfache Antwort dafür, wäre es vermutlich nicht so schlimm gekommen, wie es sich heutzutage präsentiert. Aber grundsätzlich kann man sagen, dass dies eine Einstellungssache ist und diese beginnt im Kopf jedes Einzelnen. Wenn erwachsene Raucher es aber als selbstverständlich ansehen, ihren Zigarettenstummel einfach wegschmeissen zu dürfen, Kinder und Jugendliche das beobachten, hat das eine «negative» Vorbildfunktion. Folglich: Wenn der Erwachsene Abfall auf den Boden schmeissen kann, dann darf ich das wohl auch. Ein weiterer Grund ist, dass immer und überall etwas konsumiert werden kann. Somit ist auch die Wahrscheinlichkeitsrate von einem Missverhalten wesentlich grösser geworden als noch vor der Zeit, als «jeder» mit Büchse, Pappbecher oder Sandwicht in der Hand rumlief. Littering wird aber auch in allen Gesellschaftsschichten, in den Schulen und Vereinen zu wenig kommuniziert. Wir wissen ja: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.

Haben die Cleanwalkers, ausser dass sie selber Hand anlegen und Abfälle einsammeln, auch noch ­andere Aktionen geplant, wie zum Beispiel Anlässe präventiver Natur?

Irgendwo mussten wir mal anfangen, um das Thema aufzugreifen und überhaupt zu einem Thema zu machen. Das begann mit der Beseitigung des Schadens als solchen, durch das Abfallauflesen. Das dies ­alleine nicht zu einer nachhaltigen Verbesserung des Littering-Problems führt, liegt auf der Hand. Das Übel muss an der Wurzel angepackt werden. Da gäbe es noch vieles zu tun. Doch die zeitlichen wie auch die finanziellen Ressourcen, trotz grosszügigen Sponsoren, unseres jungen Vereins sind beschränkt. Als Beispiel kann ich erwähnen, dass wir schon Vorträge an Kantonsschulen zum Thema Littering gemacht und weitere Aktionen in der Pipeline haben. Uns ist bewusst, dass in der Prävention der Erfolg liegt, nicht im Abfallauflesen.

Volketswils SVP-Kantonsrätin Maria Rita Marty hat mit zwei weiteren SVP-Kantonsrätinnen beim Regierungsrat eine Anfrage zum Thema Littering eingereicht. Was erwarten Sie von den Behörden auf kommunaler Ebene?

Die Cleanwalkers sind eine Nonprofitorganisation, politisch und konventional neutral. Trotzdem möchte ich hier zu dieser Anfrage den drei Frauen gratulieren. Da scheint in der Politik etwas angekommen zu sein, das wir Cleanwalkers natürlich sehr begrüssen. Es werden die richtigen Fragen gestellt. Für meinen Geschmack aber ein paar Jahre zu spät. Es ist wie so oft in der Politik, es wird meistens erst dann reagiert, wenn der Leidensdruck schon «unerträglich» ist. Das zieht sich vor allem bei Themen, die die Umwelt betreffen, quer durch. Das war beim Ozonloch so, das ist so bei der CO2-Frage, bei der Biodiversität, dem Artensterben, den Pestiziden, beim Klimawandel und auch beim Littering, um nur einige Beispiele zu nennen. Die Politik hinkt stetig hinterher, die Frage ist nur, wie viel und ob es nicht schon zu spät ist. Wir sind doch nicht eines Morgens aufgewacht und haben uns die Augen gerieben und ganz erstaunt festgestellt, dass in den Weltmeeren plötzlich fünf Plastikinseln, jede so gross wie halb Europa, rumschwimmen. Dieser Prozess begann in den Fünfzigerjahren und hat sich immer mehr kumuliert. Da fragt man sich schon, warum hat man in den vergangenen 70 Jahren nicht etwas dagegen unternommen? Hier hat doch die Menschheit beziehungsweise die Politik total versagt. Ich erwarte von unseren Politikern, die sich alle freiwillig diesen «Beruf» ausgesucht haben und dazu da sind, unsere Gesellschaft so zu organisieren, dass sie funktioniert, dass das Thema Littering nun ernst genommen und mit kreativen und innovativen Massnahmen konsequent angegangen wird. Wir wollen wieder eine «saubere Schweiz».

Was ist Ihr konkreter Lösungsansatz, um Littering in Volketswil einzudämmen?

Das ist ganz einfach. Die Prozesse sind immer dieselben, sofern man eine Lösung erarbeiten will. Erstens muss die Erkenntnis da sein, dass wir es hier mit einem ernst zu nehmenden Problem zu tun haben. Zweitens muss der Willen vorhanden sein, dieses Problem anzugehen. Sind diese zwei Voraussetzungen erfüllt, kann mit der eigentlichen Arbeit begonnen werden. Meiner Meinung nach braucht es eine breit angelegte Anti-Littering-Kampagne. Dafür würde ich einen sogenannten «Runden Tisch» ins Leben rufen, mit möglichst allen Akteuren, die die Kampagne mittragen und unterstützen können. Dazu gehören die Schulen, Vereine, die Behörden, die Polizei, Volketswiler Bürger und Fachleute. Wir müssen uns jedoch bewusst sein, dass Littering als stetiger, schleichender Prozess zu uns kam und auch mit allen Bemühungen nicht von heute auf morgen wieder verschwinden wird. Dazu braucht es sinnvolle und lang anhaltende Gegenmassnahmen, um das wieder in Ordnung zu bringen. Doch Nichtstun ist sicher keine Option. Auch der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt. Diesen sollten wir nicht weiter hinauszögern. Das macht die Situation künftig nicht besser. Erlauben Sie mir bitte noch, allen denen zu danken, die bereits jetzt schon im Stillen und oft alleine etwas gegen Littering unternehmen, und allen denen, die die Cleanwalkers bis jetzt unterstützt haben.

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