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"Als Friedensrichterin bin ich eine Einzelkämpferin"

Erstellt von Karin Steiner | |   News

Wenn zwei Parteien sich streiten, versuchen Friedensrichter, diese auszusöhnen. Seit 2012 amtet Barbara Brüngger als Friedensrichterin – und das mit Erfolg: Gegen zwei Drittel der Fälle kann sie auf der Schlichtungsstelle erledigen. Am 7. März tritt sie zur Erneuerungswahl an.

Rund 100 Fälle landen jährlich auf dem Tisch von Barbara Brüngger. «Als Friedensrichterin bin ich eine Einzelkämpferin», sagt sie. «Ich mache alles alleine – die eingehenden Fälle prüfen und erfassen, die Parteien vorladen, Verhandlungen vorbereiten, durchführen und die Verfahren abschliessen. Ich führe auch Buchhaltung und erledige das Inkasso über die Gerichtsgebühren.» Das ist ein Aufwand, den sie in einem 50-Prozent-Pensum erledigt. Im schwierigen letzten Jahr musste vor allem in der zweiten Hälfte ein Rückgang der Klagen festgestellt werden. Die Volketswilerin rechnet damit, dass die arbeitsrechtlichen Fälle als Folge von Corona in Zukunft jedoch zunehmen könnten. Aber ihr wird die Arbeit nie zu viel, denn sie hat grosse Freude an ihrem Job. «Der Kontakt und Umgang mit den verschiedensten Menschen sind mir sehr wichtig», erzählt sie. Das war schon zentral in ihrem vorherigen Beruf als diplomierte Pflegefachfrau bei der Spitex in der Gemeinde.

Als im Jahr 2012, mitten in der Amtsperiode, das Amt der Friedensrichterin frei wurde, beschloss Barbara Brüngger, diese einmalige Chance zu packen und stellte sich zur Wahl, welche sie mit einem sehr guten Resultat für sich entscheiden konnte. 2015 wurde sie für weitere sechs Jahre wieder gewählt. «Die Grundausbildung und diverse Weiterbildungen konnte ich nach und nach absolvieren. Zu Beginn musste ich mir jedoch viel Fachwissen selber aneignen, zum Beispiel die juristischen Grundkenntnisse. Die Qualität der Friedensrichterin liegt in der Verhandlungskompetenz. Das Führen dieses Amtes erfordert Lebenserfahrung und psychische Belastbarkeit.» Viermal pro Jahr finden Treffen mit den Mitgliedern des Friedensrichterverbandes des Bezirks Uster statt und zudem gibt es regelmässig Weiterbildungen. «Der Erfahrungsaustausch unter den Kolleginnen und Kollegen, die Förderung der Aus- und Weiterbildung und die Pflege der Freundschaft sind sehr wichtig.»

Prinzip «Schlichten vor Richten»

Die Friedensrichterin ist die Judikative auf Gemeindeebene, sie ist dem zuständigen Bezirksgericht als erste und dem Obergericht des Kantons Zürich als zweite Aufsichtsbehörde unterstellt. Die Friedensrichterin vermittelt zwischen streitenden Parteien nach dem Grundsatz «zuerst schlichten dann richten». «Es ist wichtig, dass die Parteien für eine einvernehmliche Lösung bereit sind. Ich nehme stets beide Beteiligten ernst, höre zu und versuche die Parteien mit Fragestellungen zu einer Lösung zu führen. Auch Humor soll in der Verhandlung Platz haben, er trägt viel zu einer Lösung bei.» Bei den Verhandlungen geht es hauptsächlich um Geldstreitigkeiten aus privaten und/oder geschäftlichen Beziehungen, auch arbeitsrechtliche Klagen sind häufig. Dazu kommen Unterhaltsklagen, erbrechtliche Klagen oder Nachbarschaftsstreitigkeiten. «Oft geht es um schon länger dauernde Streitigkeiten», weiss Barbara Brüngger aus Erfahrung. «Der Konflikt ist so gross, dass ein Gespräch nicht mehr möglich ist. Bei mir müssen sie sich seit langem wieder an einen Tisch setzen und sind erstaunt, dass eine Diskussion möglich ist. Manchmal geht es auch emotional zu und her, und bis zu einem gewissen Grad muss man Emotionen auch zulassen. Aber es ist auch schon vorgekommen, dass ich Leute rausstellen musste. Wenn es zum Beispiel Drohungen unter den Parteien gibt, kann ich zur Sicherheit auch die Polizei aufbieten. Das kommt jedoch glücklicherweise selten vor.»

Hohe Erfolgsquote

Ziel der Verhandlung ist es, dass die Parteien eine einvernehmliche Lösung finden und einen Vergleich erzielen können. Die Friedensrichterin kann über zivilrechtliche Streitigkeiten bis und mit einem Streitwert von 2000 Franken auf Antrag der klagenden Partei ein Urteil fällen. Bei einem Streitwert bis 5000 Franken kann sie den Parteien einen Urteilsvorschlag unterbreiten, der ohne Ablehnung einer Partei in Rechtskraft erwächst. Falls keine Einigung erzielt werden kann, stellt die Friedensrichterin der klagenden Partei die Klagebewilligung ans zuständige Bezirksgericht aus. Zwischen 60 bis 70 Prozent der Fälle können auf dem Friedensrichteramt erledigt werden. Die Gerichte werden durch die konstant hohe Erledigungsquote entlastet, das ist auch das Ziel. Es ist bekannt, dass längst nicht alle ausgestellten Klagebewilligungen tatsächlich am Gericht eingereicht werden. «Ein Grund dürfte sein, dass die Gerichtskosten im Vergleich zu den Kosten bei der Friedensrichterin sehr viel höher sind», sagt Barbara Brüngger. «Das mache ich den Parteien jeweils deutlich klar.» Für eine Verhandlung kann die Friedensrichterin stets ein bis zwei Stunden einrechnen. «Manchmal dauert es auch länger. Pausen zwischen den Verhandlungen sind für eine Besprechung mit dem Anwalt oder der Vertrauensperson oft sehr wertvoll.»

Freude am Erfolg

«Mich freut es jedes Mal sehr, wenn eine Einigung erzielt werden konnte. Auch kam es schon vor, dass eine der Parteien gleich zum Bankomaten ging und seine Schulden vor Ort beglich. Und vor Corona haben sich manchmal die Parteien nach der Verhandlung sogar die Hand gereicht. Das sind erlösende Momente für die Parteien und schöne Momente für mich.» Den nötigen Ausgleich zur anspruchsvollen Arbeit findet die gebürtige Volketswilerin in der Familie. Barbara Brüngger ist Mutter von vier erwachsenen Kindern. Daneben geht sie gerne in die Berge, fährt Ski, radelt und macht ausgedehnte Spaziergänge mit dem Hund. Sie sei bereit und motiviert für die nächsten sechs Jahre als Friedensrichterin, sagt sie.

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